Sonntag, 26. Januar 2014

12 Years A Slave

I will survive, I will not fall into despair. I will keep myself hardy until freedom is opportune.

Steve McQueen, 2013 - 9.75/10

Dies ist kein schöner Film. Am liebsten wollte ich da ein "duh!" dranhängen, denn was sind die Erwartungen, mit denen man ins Kino geht, um über die wahre Geschichte der zwölfjährigen Gefangennahme des freien Mannes Solomon Northup in Staat New York des Jahres 1841 zu erfahren?! Zum Lachen sieht man sich dieses Werk nicht an. So wie ich mich beim "Wolf" wie von Drogen benebelt fühlte, so fühlte sich McQueens Film wie ein Schlag in die Magengrube an, ich war mit den Nerven am Ende und musste erstmal alles sacken lassen - ich war auch für die ersten zehn Minuten kaum ansprechbar gewesen. Von den Emotionen ist es mit "Schindlers Liste" oder "Der Pianist" zu vergleichen, die ebenso das Schicksal von einzelnen in einer großen Hölle (dort war es der Zweite Weltkrieg) zeigen.

Als Zuschauer muss man mit Bestürzung das ganze Ausmaß der Monstrositäten wahrnehmen, die ein Mensch anrichten kann. Northup ist ein geachteter Geigenspieler, gern gesehen in den oberen Kreises des weißen Establishments. Er hat eine Frau und zwei kleine Kinder (eine von ihnen gespielt von Quvenzhane Wallis of "Beasts Of The Southern Wild"-fame), als diese auf Reisen geht, wird er von zwei vornehmen Weißen auf ein paar Drinks eingeladen, vergiftet und findet sich am nächsten Morgen in Ketten wieder. Solomon wird gequält, versklavt, entmachtet (er muss auch seinen Namen ablegen) und schließlich an einen reichen, weißen Sägewerksbesitzer (Benedict Cumberbatch!!!) veräußert. Im Laufe der Zeit gewinnt er das Vertrauen seines Masters, lässt sich aber zu einer folgenreichen Tat hinreißen, die ihn schließlich zu einem neuen, bestialischen Master (Michael Fassbender) bringt.

Auf dessen Baumwollplantage durchlebt er alle Gräueltaten, von denen wir - also eigentlich jeder Mensch weltweit - gehört haben. Das besondere an diesem Film und damit auch dessen Verdienst, ist es, nichts und ich meine wirklich GAR NICHTS zu beschönigen. Die Emotionen, die hier transportiert werden sind roh und rein und wer davon nicht ergriffen wird, besitzt einfach keinerlei Empathie. Es gibt mehrere Szenen, die mit zum heftigsten gehören, was ich jemals auf der Leinwand gesehen habe und bringt eine völlig neue Perspektive auf diese dunkle Epoche der amerikanischen Geschichte. Was diese Menschen aushalten mussten ist unbegreiflich und macht es um so schrecklicher aus heutiger Sicht zu beobachten. Allein solch eine Szene, in der Sklaven zum Verkauf feil geboten werden ist unfassbar schrecklich: "Hier sehen Sie unsere Prachtexemplare und nebenan gibt es Erfrischungen. Los, Platt spiel uns was schönes!" Das war in etwa der Dialog des Sklavenhändlers (der Solomon seinen neuen Namen "Platt" gegeben hat) und ich wollte Schreien, so abartig kam mir diese Szene vor.

Der Film ist exzellent realisiert worden und der größte Lob muss an Steve McQueen gerichtet sein. Der britische Regisseur kommt aus der Kunstszene und ist mit seinem dritten Film (nach "Hunger" und "Shame") zu den wichtigsten Filmemachern weltweit aufgestiegen. Die Entscheidungen, die er in der Umsetzung von Northups Memoiren getroffen hat, sind durch die Bank weg vortrefflich. Es ist eine Schande, dass die Kameraarbeit von Sean Bobbit ohne Oscar bleiben muss, denn was er hier schafft ist sensationell. Manche Kamerafahrten dürften zu lang geworden sein, aber vor allem das Spiel von hell und dunkel hat mich von den Socken gehauen. Es gibt eine Szene zwischen Ejiofor und Fassbender bei Nacht, die nur von einer einzelnen Laterne erleuchtet wird, aber ihr werdet sie schon bemerken... unglaublich.

Die Schauspieler sind alle hervorragend in ihren Rollen. Allen voran Chiwetel Ejiofor, der den Oscar gewinnen müsste - ich persönlich hielt Leos Performance gleichwertig seid aber nicht überrascht, wenn McConaughey den Preis mit nach Hause nimmt (dazu bald mehr) - in der Rolle seines Lebens. Manche Kritiker mokieren, dass er sich nicht in den Vordergrund spielt. Klar, alle Rollen sind hier in etwa gleichwertig zu beurteilen und das ist es ja auch gerade: Ejiofor muss sich gar nicht aufdrängen in welcher Weise auch immer. Es geht immerhin um das Leiden ganzer Generationen von Schwarzen im neunzehnten Jahrhundert. Der Film würde ganz anders wirken, wenn Northup als großer, nobler Held stilisiert worden wäre. So ist noch Platz für die beiden anderen wichtigen Charaktere im Film: Lupita Nyong'o als der Lieblingssklavin des Masters spielt überragend und sie wird zu 99% den Oscar gewinnen (nur J-Law könnte dies verhindern). Sie hat so viele denkwürdige Momente, dass es schwerfällt sich auf einen einzigen festzulegen und ich will auch nichts vorwegnehmen. Michael Fassbender als ebendieser Master spielt so abgrundtief böse, dass es mir schwerfallen wird, ihn jemals wieder in der Rolle als Helden zu sehen.

Die Musik von Hans Zimmer ist zwar sehr schön, doch in seiner Breite und "epicness" etwas fehl am Platz, da wäre weniger vielleicht mehr gewesen. Bei zwei Szenen zu Beginn hat sie mich aus dem Konzept gebracht und auch der Umstand, dass ich ihn nicht im Original gesehen habe, sind daran "schuld", dass ich noch nicht die Höchstwertung vergeben kann.

Brad Pitt und Benedict Cumberbatch sind in kleinen Rollen zu sehen und wenn sie nur der Grund sein werden, dass mehr Leute diesen Film sehen, bin ich damit sehr zufrieden. Denn es ist ein Erlebnis, dass jeder einmal gemacht haben sollte. Wenn ihr mehr von einem Film erwartet als: "Ach, schieb' mal 'ne DVD rein, ich will entspannen...", dann müsst ihr ihn sehen. Ein Meilenstein der Filmgeschichte und ich würde ihn an Platz 1 der Filme 2013 setzen.


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