Freitag, 3. Oktober 2014

TV: True Detective




Cary Joji Fukunaga, USA 2014 - 9.5/10 (8 Episoden)

Dies ist das erste, aber mit Sicherheit nicht das letzte mal, dass ich in diesem blog über TV-Serien schreiben werde. Wozu soll ich einen neuen aufmachen, wenn die heutigen Serien an die Qualität und Dichte von guten Filmen herankommen und teilweise bessere Qualität liefern, als die Ware aus Hollywood? 

Heute habe ich mit meinem Kumpel die erste Staffel der HBO-Serie "True Detective" beendet und bin von dessen Spannung, Atemlosigkeit und unfassbare Atmosphäre begeistert, was vor allen an den beiden Hauptfiguren liegt: Rustin Cohle (Matthew McConaughey) und Martin Hart (Woody Harrelson). Die komplette Serie dreht sich um diese beiden Polizisten aus Louisiana, die über 17 Jahre eine Mordserie aufdecken, die sich quer über den gesamten, sumpfigen Bundesstaat verteilt.

Die Serie spielt in drei Zeitebenen. Die erste befindet sich im Jahr 2012, der "Jetzzeit". Rust und Marty werden separat voneinander von zwei Polizisten (u.a.  Michael Potts alias Brother Mouzone aus "The Wire") befragt. Sowohl zum Fall 1995, als auch ihren Konflikt in 2002 und der Zeit, die seitdem vergangen ist. Beide sind gealtert und die kommenden Ereignisse werden aus der Perspektive der beiden heraus gezeigt; beide haben dementsprechend auch mehr Haare auf dem Kopf und einen kleineren Bierbauch (im Falle Martys), Rust sieht aus wie der lebende Tod, nur mit langem, schmierigem Haar und einem Larry-Bird-Style Schnurrbart.

Zeitsprung ins Jahr 1995: Die beiden Beamten werden zu einem Tatort ins ländliche Louisiana gerufen, an dem ein junges Mädchen tot, gefesselt und mit aufgesetzten Hörnern aufgefunden wurde. Während Hart eher der prototypische Polizist ist, der der lokalen Polizei Befehle gibt, ist Cohle der introvertierte, analytische Denker, der keinerlei soziale Eigenschaften besitzt, sondern sich nur auf seinen Job konzentriert. Mit dieser Art stößt er bei seinen Kollegen an, die ihn alle meiden, außer eben Marty, sein Partner. Zusammen gehen sie auf die Jagd nach einen okkulten Mörder und stoßen auf ein immer breiter gefächertes Netz von Morden an vermissten Kindern.


Kleiner Hinweis: Die Serie hat mich an sehr vielen Stellen an den britischen Geheimtipp "Kill List" erinnert. Ich will da nicht näher auf Details eingehen, sonst verrate ich zu viel. Aber sowohl in diesem sensationellen Film, als auch in der Serie, wird eine Atmosphäre geschaffen, die einen in deren Bann zieht. Das Setting im abgeschiedenen, fast Dschungel-ähnlichen Louisiana birgt sehr viele Möglichkeiten, welche die Serienmacher zu ihrer Stärke ausnutzen. Die Serie wechselt nicht nur zwischen den drei beschriebenen Zeitzonen, auch die Drehorte bleiben enorm abwechslungsreich und die Figuren an den verschiedenen Orten sind zwar teilweise sehr eindimensional geraten, aber dafür sind ja auch Nebenfiguren da: Sie müssen ja nicht zwangsläufig hochkomplex geraten, wenn dadurch der Fokus auf unsere beiden "Helden" verloren geht. Die Autoren und der Regisseur haben sich dafür entschieden, nur Rust und Marty in den Fokus zu rücken.

Rust lebt in einer unmöblierten, spartanischen Wohnung, die von Büchern über Mordfälle überquillt. Er selbst leidet unter Schlaflosigkeit und verbringt eh die meiste Zeit im Präsidium oder unterwegs mit Marty. Dieser hat ein "normaleres" Leben: Frau und zwei Töchter. Den Stress des Berufs kann er allerdings nicht so gut wegstecken wie sein Kollege und so kommen einige Probleme in seinem Privatleben zum schweren Job hinzu.

Die Serie ist extrem düster, voller abgrundböser Gestalten in alptraumhaften Szenerien. Einige Charaktere sind wirklich (und ich übertreibe jetzt nicht) furchteinflössend, also ist die Serie nichts für zart besaitete Seelen. Technisch ist sie sensationell. Das Setting, die Ausstattung, selbst der Wechsel zwischen den Zeitzonen funktionieren. Ich finde es immer wieder faszinierend, was für Dinge die Leute aus der Produktion veranstalten müssen, um einen Ort alt aussehen zu lassen. Rust und Marty durchsuchen diverse zerfallene Häuser, bei denen der Aufwand enorm gewesen sein muss, sie in solch einen schäbigen Zustand zu bringen.

Cary Joji Fukunaga ("Sin Nombre" und "Jane Eyre") hat in jeder Folge Regie geführt, was so gut wie nie in einer TV-Serie vorkommt. (Genauso wie das Drehbuch, das jedesmal vom "series creator" Nic Pizzolatto verfasst wurde.) Durch diese Entscheidung entwickelt die Serie eine ganz eigene Dynamik und wirkt komplett, ein Fall wird von vorne bis hinten behandelt, Nebenschauplätze gibt es so gut wie keine - außer das Privatleben der beiden Ermittler.

Sensationell ist vor allem die vierte Folge geworden, für die Fukunaga unter anderem den Emmy für die beste Regie erhalten hat. Um an Informationen über einen Verdächtigen zu gelangen, lässt Rust seine alten Kontakte zu einer Motorradgang spielen, als er undercover dort ermittelt hat. Er muss sich allerdings dessen Vertrauen verdienen, also begleitet er sie auf einer Raubtour durch Sozialbausiedlungen (Hallo, The Wire!!), das von Afro-Amerikanern bewohnt wird. Was dort folgt gehört zum eindrucksvollsten, das ich in den letzten zehn Jahren von einer Serie gesehen habe: Scheinbar ungeschnitten erlebt der Zuschauer sechs Minuten lang, wie die ganze Aktion nach hinten losgeht und Cohle versucht mit einem der Motorradbande zu entkommen. "All hell breaks loose" wie der Amerikaner schön sagt, denn das ist, was passiert: Eine einzige unfassbar choreographierte Szene, bei der tausende Dinge gleichzeitig passieren und der Zuschauer gar nicht weiß, wohin er als ersten schauen soll.

Das war nur ein Beispiel, der Rest der Serie kann das hohe Niveau fast durchgängig mühelos halten.
Nur schade, dass die vorletzte Episode versucht, zu viele Handlungsstränge zusammenzufügen und dabei zehn Jahre zu überbrücken. Es wäre besser gewesen, diese Ereignisse auf zwei Folge auszubreiten.

Ansonsten habe ich aber nichts zu kritisieren. Wer nach "Breaking Bad" zum Beispiel wieder eine Serie haben will, die ihn sowohl unterhält, unglaublich cool aussieht und dabei ungemein fordert, extrem spannend ist, aber auch nicht mit einer Prise Humor (und teilweiser nackter Haut) spart, der ist hier genau richtig. Die beiden Hauptdarsteller (vor allem McConaughey) spielen erstklassig und es wird nie langweilig. Meine vollste Empfehlung.

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