Sonntag, 30. November 2014

Forrest Gump




Robert Zemeckis, USA 1994 - 9.5/10

Kommen wir heute zu einem Film, den ihr alle kennt, der dieses Jahr auch noch Jubiläum feiert. Er stammt aus dem goldenen Jahrgang 1994 (neben "Die Verurteilten", "Pulp Fiction" und "León der Profi") und gewann in dieser Saison die wichtigsten Oscars: Bester Film, Hauptdarsteller, Regie, Drehbuch, Schnitt und Spezialeffekte. (Wieso eigentlich nicht Ausstattung (Sets) und Kamera - hier gewann die Oppulenz in Form von "Legenden der Leidenschaft" und "König George") Wie dem auch sei, viele Kritiker und Filmkenner sind empört darüber, dass dieser Film so viel abgeräumt hat, während das viel wichtigere und einflussreichere Werk - "Pulp Fiction" von Tarantino, welches das 90er-Kino erschaffen hat - leer ausging. Nun, im Nachhinein muss ich den Kritikern Recht geben. Es wäre die weitaus mutigere Wahl gewesen. Dessen Tempo, un-chronologische Struktur, Vulgarität und coole Charaktere waren Stilbildend.

Ein Dilemma dieser Art hatten wir einige Jahre später: Bei den Oscars 2011 gewann in der Kategorie "Bester Film" "The King's Speech" und eben nicht "The Social Network", das so viel einflussreicher war und im Nachhinein als das wichtigste amerikanische Wer der letzten Jahre angesehen wird. Die Academy entschied sich dort für den Crowdpleaser und eben gegen den intelligenten Zeitgeist-Film. Warum "Forrest Gump" aber trotzdem auch heute noch geliebt wird, auch von mir, - meiner Meinung nach ist dies einer der unterhaltsamsten Filme überhaupt -  das werde ich in den kommenden Abschnitten zu erklären.

Der Film beginnt in Forrests (Tom Hanks) Kindheit. Im ländlichen Alabama, genauer gesagt Greenbow, Alabama, wächst er in einem großen Haus bei seiner liebevollen, alleinerziehenden Mutter (Sally Field) auf. Forrest hat einen niedrigen Intelligenzquotienten und deshalb soll er auf eine Sonderschule gehen. Doch seine patente Mutter hat andere Pläne für ihren besonderen Jungen: Mit vollem Einsatz erreicht sie, dass Forrest auf eine reguläre Schule kommt. An seinem ersten Schultag macht keiner seiner Schulkameraden Platz für ihn im Bus, bis auf das Mädchen, das sein Leben verändern sollte: Jenny! (Robin Wright) So durchlebt er sein Schulleben und alle weiteren Jahren, die immer wieder durch Zufälle und scheinbar göttliche Fügungen geleitet werden: So erhält er ein Stipendium an der University of Alabama, weil er eines Tages über sein High School Football-Feld rannte, oder er wird Tischtennis-Weltmeister, weil er nach dem Vietnamkrieg aus Langeweile einen Schläger in die Hand nimmt.

Es sind all diese kleinen Geschichten, die den Film ausmachen. Ein Kritiker sagte einmal, dass ein Film gut ist, wenn er aus interessanten Szenen besteht, und dieses Werk ist voll von solchen. Fast schon zu voll, um ehrlich zu sein. Das Tempo ist teilweise so hoch, dass man schnell die besten Momente verpasst. Dass der Film aus unzähligen Montagen besteht, erhöht noch diesen Eindruck (zum Beispiel bei der Beschreibung des Alltags in Vietnam), hier wäre eine Reduktion auf eine bestimmte Anzahl von Momente besser gewesen, aber das ist meckern auf ganz hohem Niveau, denn es gibt fast jedes mal etwas neues zu entdecken bei Forrests Reise durch die amerikanische Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts.

Ein großer Teil der Szenen wurde durch Archivmaterial ergänzt und durch Spezialeffekte für den Film modelliert: So kann Forrest nach seinem College-Abschluss ohne Probleme die Hand John F. Kennedys schütteln (und ihn fragen, wo die Toilette sei; verständlich nach dessen Dr. Pepper-Konsum). Auch wenn diese Szenen natürlich nicht so ins Auge springen, wie irgendwelche spektakuläre Explosionen, ist es doch erstaunlich, wie mühelos die Filmemacher diese Szenen zum Leben erwecken können.

Wie bereits erwähnt, wurden zu viele Figuren, Szenen und Ereignisse in diesen Film gequetscht. Aber diese Figuren sind alle so gestaltet, dass sie einem ans Herz wachsen. Neben Forrest, dessen Mutter und Jenny, sind es zwei Männer, die Forrest beim Militär trifft, die einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Wie zu Beginn des Films steigt Forrest wieder in einem Bus, der ihn aber diesmal nicht zur Schule, sondern zur Kaserne bringt. Wieder einmal will keiner ihm Platz machen, nur einer bietet sich an. Der schwarze Benjamin Blue (Mykelti Williamson), den alle nur "Bubba" nennen. Er wird zu Forrests "bestest friend", mit dem die Zeit in Vietnam sehr viel erträglicher liegt. Das liegt auch an Lt. Dan (Gary Sinise, zu Recht für den Oscar nominiert), dem cleveren Chef der Truppe, der, wenn es schlecht laufen sollte im Einsatz, wie seine Vorväter auf dem Schlachtfeld sein Leben lassen wollte. Das wird etwas anders kommen, aber das wird nicht weiter verraten.

Es gibt aber nicht nur lustige Szenen, was eine der großen Stärken des Films ist, der Zuschauer wird auf eine Reise mitgenommen, die Höhen und Tiefen hat, für jede einzelne Figur. SPOILER!! Es gibt eine der emotionalsten Szenen aller Zeiten, ich bin jedesmal absolut fertig, wenn sie kommt. Aber Öffnen auf eigene Gefahr, wer den Film nach zwanzig Jahren noch nie gesehen haben sollte, der klicke natürlich nicht auf diesen Link.

Die Schauspieler liefert sehr gute Performances. Natürlich sei Tom Hanks an erster Stelle zu nennen, der hier im zweiten Jahr in Folge den Oscar als beste männliche Hauptrolle abräumte (nach "Philadelphia" 1993). Er ist der etwas minderbemittelte amerikanische Jedermann, den jeder ins Herz schließen kann. Eine der ikonischen Rollen der 90er Jahre. Sally Field und Robin Wright hätten meiner Meinung nach ebenso für Oscars nominiert werden müssen. Beide spielen ihre Rollen überragend, auch wenn ich mit der Figur der Jenny so meine Probleme habe, aber das werdet ihr schon selbst sehen. Einige ihrer Entscheidungen kann ich - genauso wie Forrest - nur schwer begreifen, aber das macht auch diesen Film aus: Er wählt häufig nicht den einfachsten Weg, was ja auch sonst viel zu langweilig wäre.

"Forrest Gump" ist ein zeitloser Film, der einen hochinteressanten Ausschnitt der amerikanischen Geschichte des zwanzigsten Jahrhundert zeigt. Der Film gehört zu den unterhaltsamsten, die ich kennen und kann unzählige male angesehen werden, er wird nicht langweilig, was an der Vielzahl der Orte, Figuren und sowohl lustigen, als auch enorm traurigen Szenen liegt. Dieser Film ist die sprichwörtliche Pralinenschachtel: Für jeden (und jede Emotion) ist etwas dabei. Meine vollste Empfehlung, vor allem in dieser kalten Jahreszeit.

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