Freitag, 5. Dezember 2014

Under The Skin




Jonathan Glazer, UK 2014 - 9.5/10

Ihr werdet keinen merkwürdigeren, kälteren und einfach andersartigeren Film im Jahr 2014 als "Under The Skin" auf DVD (oder blu-ray) sehen können. Dieser Film ist so anders, dass man viel Konzentration mitbringen muss, die aber ohne Frage belohnt wird. Wer ein Erlebnis beim Film erleben will, und eben nicht nur für einhundert Minuten abgelenkt, oder dümmlich unterhalten werden, der muss ihn sehen.

Der Film beginnt bei Nacht. Ein Motorrad rast über eine schottische Landstraße, hält und ein Mann in Biker-Kleidung steigt ab. Er geht einen Trampelpfad hinab und kommt mit einem leblosen Körper einer Frau wieder, den er in einen Transporter legt. Schnitt. Der Körper liegt auf einen hell erleuchteten Boden, über ihr gebeugt ist eine nackte, ebenfalls junge Frau (Scarlett Johannson). Sie entkleidet die Tote und zieht deren Kleidung an. Als diese Aktion vorüber geht, verlässt sie da Haus und steigt in den Lieferwagen der vorherigen Szene ein; der Motorradfahrer verlässt ebenso die Szenerie. Der Zuschauer verfolgt daraufhin die merkwürdige Unbekannte, die von nun an durch Glasgow und Umgebung fährt, um Männer in ihren Wagen zu lotsen, sie zu ihrer Wohnung bringt und dort tötet.

Wieso sie dies macht, wird nicht verraten, aber es ist sehr merkwürdig. Sie ist nicht aus dieser Welt, aber mehr werde ich nicht preisgeben. Viele werden von diesem Film abgeschreckt werden, aber meiner Meinung nach ist es ein Meisterwerk. Die Bilder, die Glazer und dessen Kameramann Daniel Landin (der vorher vor allem an Musikvideos beteiligt war), sind atemberaubend. Das raue schottische Klima ist perfekt eingefangen worden und vor allem die Atmosphäre der Einsamkeit, die den gesamten Film durchzieht. Die Frau sucht sich bewusst nur einsame Männer ohne Familie aus, die sie umbringen kann. Als Zuschauer denkt man, wie so etwas möglich sein kann, aber es wird einem bewusst, dass manche Menschen in solch einer Einsamkeit leben, dass sie kaum vermisst werden, so wie den tschechischen Schwimmer beispielsweise, den sie am Strand trifft. Wird jemals jemand in der Heimat von seinem Ableben erfahren?

Der Fakt, dass Johannson eigentlich als Sexbombe bekannt ist und als solche gecastet wird (hallo, Woody Allen), hier aber bewusst als unscheinbar, in der Masse untergehend dargestellt wird. Der Film fokussiert nur auf sie und wird damit zur sensationellen one-woman-show. Denn Johannson liefert die beste Performance ihrer Karriere hin und hätte meiner Meinung nach eine Oscar-Nominierung verdient.

Bewusst wird enorm viel Kontext offen gelassen, aber gerade das sehe ich als Vorteil. Während der Zuschauer häufig von Handlung zugeschüttet wird, bei der man extrem viel beachten muss (wie beispielsweise bei "Interstellar") ist "Under The Skin" bewusst offen gehalten, der Zuschauer muss selbst seine Schlüsse ziehen, was diesen Film äußerst sehenswert macht. Im Grunde ist der Film eine Aussage darüber, wie Frauen im Alltag sexualisiert und als reine Objekte dargestellt werden (genauso wie es bei der Schauspielerin Johannson passiert). Dieser Film macht es anders mit dessen Hauptfigur. Ich will nicht näher ins Detail gehen, aber ich werde wahrscheinlich in einem späteren Artikel näher ins Detail gehen.

Der Film erinnert mich an vielen Stellen an Tomas Alfredssons Vampirfilm "So finster die Nacht" auch dort gibt es eine mysteriöse Frau (dort ein Mädchen), dass töten muss, um zu überleben. Eine Szene scheint fast einen 1:1-Kopie zu sein. Die Frau in "Under The Skin" isst ein Stück Torte, um zu fühlen, was Menschen zu sich nehmen, während Eli aus dem schwedischen Film Oscar zu Liebe ein Bonbon isst. Beide müssen sich kurz darauf schleunigst übergeben, denn sie essen andere, sehr viel merkwürdigere Dinge. Auch die Psyche der beiden Hauptfiguren ähneln sich sehr, genauso wie die Handlungsorte und die allgemeine Atmosphäre, die die Filme über herrscht.

Regisseur Jonathan Glazer kann gar nicht hoch genug gelobt werden. Er macht alles richtig. Viele werden von der Kargheit der Story und Atmosphäre abgeschreckt werden, aber es gibt hier so viel zu entdecken, dass dieser Film ein Klassiker werden wird. Diese Kritik ist nach dem ersten sehen entstanden und wird wahrscheinlich noch höher bewertet werden müssen. Wer einen Film mit einer überragenden Schauspielleistung sehen möchte, der so anders ist, als alles, was ihr seit langem gesehen habt, dann seid ihr hier sowas von richtig. Eine extra Erwähnung muss noch dem Soundtrack gelten: Mica Levi hat einen unheimlichen, bedrohlichen und vor allem außerweltlichen Klang geschaffen, der perfekt zum Film passt und die Szenen noch eigenwilliger und in einem andersartigen Licht erscheinen lässt.

PS: Der Song aus der Überschrift stammt von "Deafheaven", einer sensationellen Band, die das beste Album des Jahres 2013 veröffentlicht hat. Hört es euch an!

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