Sonntag, 30. November 2014

Forrest Gump




Robert Zemeckis, USA 1994 - 9.5/10

Kommen wir heute zu einem Film, den ihr alle kennt, der dieses Jahr auch noch Jubiläum feiert. Er stammt aus dem goldenen Jahrgang 1994 (neben "Die Verurteilten", "Pulp Fiction" und "León der Profi") und gewann in dieser Saison die wichtigsten Oscars: Bester Film, Hauptdarsteller, Regie, Drehbuch, Schnitt und Spezialeffekte. (Wieso eigentlich nicht Ausstattung (Sets) und Kamera - hier gewann die Oppulenz in Form von "Legenden der Leidenschaft" und "König George") Wie dem auch sei, viele Kritiker und Filmkenner sind empört darüber, dass dieser Film so viel abgeräumt hat, während das viel wichtigere und einflussreichere Werk - "Pulp Fiction" von Tarantino, welches das 90er-Kino erschaffen hat - leer ausging. Nun, im Nachhinein muss ich den Kritikern Recht geben. Es wäre die weitaus mutigere Wahl gewesen. Dessen Tempo, un-chronologische Struktur, Vulgarität und coole Charaktere waren Stilbildend.

Ein Dilemma dieser Art hatten wir einige Jahre später: Bei den Oscars 2011 gewann in der Kategorie "Bester Film" "The King's Speech" und eben nicht "The Social Network", das so viel einflussreicher war und im Nachhinein als das wichtigste amerikanische Wer der letzten Jahre angesehen wird. Die Academy entschied sich dort für den Crowdpleaser und eben gegen den intelligenten Zeitgeist-Film. Warum "Forrest Gump" aber trotzdem auch heute noch geliebt wird, auch von mir, - meiner Meinung nach ist dies einer der unterhaltsamsten Filme überhaupt -  das werde ich in den kommenden Abschnitten zu erklären.

Der Film beginnt in Forrests (Tom Hanks) Kindheit. Im ländlichen Alabama, genauer gesagt Greenbow, Alabama, wächst er in einem großen Haus bei seiner liebevollen, alleinerziehenden Mutter (Sally Field) auf. Forrest hat einen niedrigen Intelligenzquotienten und deshalb soll er auf eine Sonderschule gehen. Doch seine patente Mutter hat andere Pläne für ihren besonderen Jungen: Mit vollem Einsatz erreicht sie, dass Forrest auf eine reguläre Schule kommt. An seinem ersten Schultag macht keiner seiner Schulkameraden Platz für ihn im Bus, bis auf das Mädchen, das sein Leben verändern sollte: Jenny! (Robin Wright) So durchlebt er sein Schulleben und alle weiteren Jahren, die immer wieder durch Zufälle und scheinbar göttliche Fügungen geleitet werden: So erhält er ein Stipendium an der University of Alabama, weil er eines Tages über sein High School Football-Feld rannte, oder er wird Tischtennis-Weltmeister, weil er nach dem Vietnamkrieg aus Langeweile einen Schläger in die Hand nimmt.

Es sind all diese kleinen Geschichten, die den Film ausmachen. Ein Kritiker sagte einmal, dass ein Film gut ist, wenn er aus interessanten Szenen besteht, und dieses Werk ist voll von solchen. Fast schon zu voll, um ehrlich zu sein. Das Tempo ist teilweise so hoch, dass man schnell die besten Momente verpasst. Dass der Film aus unzähligen Montagen besteht, erhöht noch diesen Eindruck (zum Beispiel bei der Beschreibung des Alltags in Vietnam), hier wäre eine Reduktion auf eine bestimmte Anzahl von Momente besser gewesen, aber das ist meckern auf ganz hohem Niveau, denn es gibt fast jedes mal etwas neues zu entdecken bei Forrests Reise durch die amerikanische Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts.

Ein großer Teil der Szenen wurde durch Archivmaterial ergänzt und durch Spezialeffekte für den Film modelliert: So kann Forrest nach seinem College-Abschluss ohne Probleme die Hand John F. Kennedys schütteln (und ihn fragen, wo die Toilette sei; verständlich nach dessen Dr. Pepper-Konsum). Auch wenn diese Szenen natürlich nicht so ins Auge springen, wie irgendwelche spektakuläre Explosionen, ist es doch erstaunlich, wie mühelos die Filmemacher diese Szenen zum Leben erwecken können.

Wie bereits erwähnt, wurden zu viele Figuren, Szenen und Ereignisse in diesen Film gequetscht. Aber diese Figuren sind alle so gestaltet, dass sie einem ans Herz wachsen. Neben Forrest, dessen Mutter und Jenny, sind es zwei Männer, die Forrest beim Militär trifft, die einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Wie zu Beginn des Films steigt Forrest wieder in einem Bus, der ihn aber diesmal nicht zur Schule, sondern zur Kaserne bringt. Wieder einmal will keiner ihm Platz machen, nur einer bietet sich an. Der schwarze Benjamin Blue (Mykelti Williamson), den alle nur "Bubba" nennen. Er wird zu Forrests "bestest friend", mit dem die Zeit in Vietnam sehr viel erträglicher liegt. Das liegt auch an Lt. Dan (Gary Sinise, zu Recht für den Oscar nominiert), dem cleveren Chef der Truppe, der, wenn es schlecht laufen sollte im Einsatz, wie seine Vorväter auf dem Schlachtfeld sein Leben lassen wollte. Das wird etwas anders kommen, aber das wird nicht weiter verraten.

Es gibt aber nicht nur lustige Szenen, was eine der großen Stärken des Films ist, der Zuschauer wird auf eine Reise mitgenommen, die Höhen und Tiefen hat, für jede einzelne Figur. SPOILER!! Es gibt eine der emotionalsten Szenen aller Zeiten, ich bin jedesmal absolut fertig, wenn sie kommt. Aber Öffnen auf eigene Gefahr, wer den Film nach zwanzig Jahren noch nie gesehen haben sollte, der klicke natürlich nicht auf diesen Link.

Die Schauspieler liefert sehr gute Performances. Natürlich sei Tom Hanks an erster Stelle zu nennen, der hier im zweiten Jahr in Folge den Oscar als beste männliche Hauptrolle abräumte (nach "Philadelphia" 1993). Er ist der etwas minderbemittelte amerikanische Jedermann, den jeder ins Herz schließen kann. Eine der ikonischen Rollen der 90er Jahre. Sally Field und Robin Wright hätten meiner Meinung nach ebenso für Oscars nominiert werden müssen. Beide spielen ihre Rollen überragend, auch wenn ich mit der Figur der Jenny so meine Probleme habe, aber das werdet ihr schon selbst sehen. Einige ihrer Entscheidungen kann ich - genauso wie Forrest - nur schwer begreifen, aber das macht auch diesen Film aus: Er wählt häufig nicht den einfachsten Weg, was ja auch sonst viel zu langweilig wäre.

"Forrest Gump" ist ein zeitloser Film, der einen hochinteressanten Ausschnitt der amerikanischen Geschichte des zwanzigsten Jahrhundert zeigt. Der Film gehört zu den unterhaltsamsten, die ich kennen und kann unzählige male angesehen werden, er wird nicht langweilig, was an der Vielzahl der Orte, Figuren und sowohl lustigen, als auch enorm traurigen Szenen liegt. Dieser Film ist die sprichwörtliche Pralinenschachtel: Für jeden (und jede Emotion) ist etwas dabei. Meine vollste Empfehlung, vor allem in dieser kalten Jahreszeit.

Freitag, 28. November 2014

Drive




Nicolas Winding Refn, USA 2011 - 9.25/10

Dieser Film hat den Gold-Standard für den Begriff "cool" in den letzten Jahren gesetzt. Die Story ist viel zu einfach gestrickt, die Charaktere sind nicht voll ausgefüllt, die Liebesgeschichte wirkt teilweise zu aufgesetzt, aber all das ist sowas von egal, denn: Alles an diesem Film wirkt so lässig, mühelos und atmosphärisch, dass man über diese Mängel ohne Probleme hinwegsehen kann. Das schöne ist, dass das Tempo des Films genau richtig ist, im Nachfolger "Only God Forgives" klappt es nicht. Dieser Film sieht zwar immer noch sehr schick aus, aber der Rest wirkt komplett übertrieben und lachhaft. Wieso das nicht bei "Drive" passiert, werde ich in den nächsten Absätzen erklären.

Kommen wir erst einmal zur Handlung: Ein namenloser Fahrer (Ryan Gosling, der danach zum Star wurde) arbeitet bei Tag beim Film für Stunts. Abends - viel interessanter - kann man ihn für illegale Aktivitäten mieten. Mit solch einer Transaktion beginnt der Film. Während zwei Bösewichte einen Laden ausrauben sitzt der Fahrer in seinem Wagen. Natürlich auf dem letzten Drücker kommt der zweite Einbrecher zum Auto zurückgerannt und los geht es durch die Nacht in Los Angeles (das wunderschön festgehalten wurde). Der Fahrer endet letzlich clever im Parkhaus des Staples Centre, genau dann, als ein Spiel der Clippers endet. Er setzt sich die passende Kappe auf und verschwindet in der Masse...

Zeitsprung und wir sehen den Fahrer im Alltag. Er trifft seine Nachbarin Irene (Carey Mulligan) im Supermarkt, mit ihrem Jungen im Schlepptau. Ihr Wagen springt nicht mehr an, aber unser Fahrer ist ebenso Mechaniker. Flux wird der Wagen in die Werkstatt seines Kumpels Shannon (Bryan Cranston) geschafft, dort treffen Fahrer und Shannon auf den gruseligen Mr Rose (Albert Brooks), der in den jungen Mann investieren will: Er soll Fahrer eines Rennwagens werden. Alles scheint gut für ihn zu laufen. Er kommt Irene näher, freundet sich auch mit ihrem Sohn Benicio an, bis plötzlich Irenes Mann Standard (Oscar "Llewyn Davis" Isaac) aus dem Gefängnis freikommt....

Daraufhin geht so ziemlich alles den Bach runter und der Fahrer muss das beschützen, was er zu lieben gelernt hat. Das klingt alles sehr abgedroschen und die Story ist wirklich nicht neu, dafür aber unterhaltsam genug, um nicht zu langweilen. Dafür ist der Film so lässig und cool inszeniert, dass man ihn nicht ausschalten kann. Das Flair wird auch durch den sensationellen Sountrack eingefangen, der an 80er Jahre Klassiker erinnert, Synthies deluxe. Die eingestreuten Actionsequenzen sind extrem mitreissend und genau richtig dosiert, auch wenn manche Zuschauer sich veräppelt fühlten, denn es ist eben kein reiner Actionreißer, sondern intelligentes Kino, das ungemein unterhält. Ein paar Szenen sind äußerst hart geworden, der FSK 18-Sticker ist ohne Zweifel richtig gewählt worden. Es ist keine Gewaltorgie wie der Nachfolger geworden, aber immer noch heftig genug, um Zartbesaitete wegschauen zu lassen.

Gosling ist für diese Rolle geboren worden, er spielt den stillen, selbstbewussten Fahrer mit einer Leichtigkeit, die seinesgleichen sucht. Wer hat in den letzten Jahren einen cooleren Helden gespielt? Es ist dieses Flair, dass die Klasse des Films ausmacht. Man erkennt die Motivation der einzelnen Figuren bei deren ersten Auftritt, aber es ist egal. Die Szenen genießen lautet die Devise. Technisch ist der Film ohne Makel, die Actionsequenzen allein sind das Eintrittsgeld wert und dann sind da noch so viel mehr sensationelle Szenen, die ohne Zweifel an klassischen Noir erinnern, mit Femme Fatale inklusive - hier ist es Sexbombe Christina Hendricks aus "Mad Men".

Wer einen sensationell atmosphärischen Thriller sehen möchte, der mitreißt und unterhält, der ist hier genau richtig.

Mittwoch, 26. November 2014

Mockingjay, Teil 1

If we burn, you burn with us



The Hunger Games - Mockingjay Part 1, Francis Lawrence USA 2014 - 8.5/10

Katniss Everdeen, das Mädchen, das in Flammen stand. Das Symbol der Revolte, das sie aber gar nicht wahrhaben will bzw. wollte. Der zweite Teil der zum Vierteiler aufgeblähten Trilogie nach den Bestsellern von Suzanne Collins, geht dort weiter, wo wir Zuschauer Katniss im zweiten Teil - Catching Fire - verlassen haben (JETZT FOLGEN SPOILER!!, Nicht-Kenner der Vorgänger natürlich ab hier bitte nicht weiterlesen):

Die Arena des "Quarter-Quell" (im deutschen blöd übersetzt: Jubel-Jubiläum) wurde durch einen präzisen, elektrischen Pfeil von Katniss (Jennifer Lawrence) durchbohrt und explodierte in Millionen kleinster Partikel, sie wurde ohnmächtig und das Kapitol wurde düpiert. Ohne ihr Wissen, wurde sie daraufhin in einen Helikopter des Distrikts 13 hochgezogen und in den zerstört geglaubten Distrikt gebracht. Das Kapitol hat zwar die Oberfläche zerbombt, aber viele Meilen unter der Erde konnte der Distrikt weiter existieren. Katniss ist genauso wie der Zuschauer überrascht, aber nach ihrem anfänglichen Schock soll sie nicht untätig dort zwischengelagert werden, sondern soll die Revolte weiter anführen. Allerdings hat der ganze von Präsident Coin (Julianne Moore) und dem ehemaligen Spielleiter Plutarch Heavensbee (Philip Seymour Hoffman in seiner letzten Rolle, ich vermisse ihn) verfasste Plan seine Tücken: Denn das Kapitol hat Katniss' best buddy, vielleicht sogar Liebhaber gefangen genommen, Peeta Mellark (Josh Hutcherson). Erst wenn er aus den Fängen von President Snow (schön gruselig: Donald Sutherland) befreit wird, dann will Katniss der "Mockingjay" sein, der Panem von Grund auf verändern will. Ein Besuch an die Oberfläche in Miss Everdeens Heimat-Distrikt 12, verändert aber alles: Er wurde dem Erdboden gleich gemacht, als Strafe für ihre Taten in der Arena...

War der Vorgänger durch die Oppulenz des Kapitols, der Exotik der Arena und der interessanten Mitstreiter sehr abwechslungsreich, so dominieren im Nachfolger graue und braune Farben und eine unfassbare Monotonie, die zwar der Vorlage nahe kommt, aber für den Zuschauer schlichtweg langweilig ist, leider. Ich habe mich an vielen Stellen an Weltkriegsfilme wie "Der Soldat James Ryan", oder auch "Der schmale Grat" erinnert gefühlt. Als Katniss und Gale in Distrikt 8 ankommen, ist es wie ein Level aus "Call of Duty". Als diese Aspekte sind nicht als schlecht zu deuten, nur treten sie in solch einer Häufigkeit und Gleichförmigkeit auf, das sich Langeweile einstellt. Genauso wie die Architektur und Kleidung im Untergrund, das mich sehr an das Anfangslevel von Fallout erinnert. Die gesamte Szenerie ist interessant, doch wird zu wenig Abwechslung geboten.

Technisch ist der Film wieder einmal sehr gelungen. Gadgets fast wie bei James Bond erleichtern das Rebellen-Dasein ungemein, mit Dank an Beetee (Jeffrey Wright, der in "Casino Royale" und "A Quantum of Solace" mitspielte). Die Kulissen sind trotzt Farblosigkeit beeindruckend gestaltet, was auch an den überzeugenden Spezialeffekten liegt. Die Kriegsgebiete wirken ungemein realistisch, wenn die Kamera langsam über die Zerstörungen fliegt, da bekommt man unweigerlich eine Gänsehaut.

Leider hat der Film ein enormes Problem: Er ist nur der erste Teil und wirkt an allen Ecken und Enden unfertig, als ob er auf ein großes Ereignis zusteuert, was er letztlich nicht erreicht. Zwar endet er mit einem großen Überraschungseffekt, aber es bleiben zu viele Handlungsstränge unbeantwortet - vor allem die kühle Präsidentin Coin wirkt in ihren Taten unnahbar und auch, dass ihr Distrikt die Freiheit darstellen soll, das "freie Panem", wird nicht deutlich. Was ist nun eigentlich die Rolle von Gale und was läuft mit Katniss? Wieso sehen wir von Prim so wenig?? Aber dieser Mangel wird mit der Zusammenführung der beiden Teile mit Sicherheit deutlich, bis dahin bleibt der Film unfertig und damit unbefriedigend, trotz aller Anstrengung der Beiteiligten.

Der Film ist spannend, mitreissend und ich musste nicht einmal auf die Uhr schauen, da war er auch schon um. Es gab eine Szene, in der gesungen wurde (im Grunde total überflüssig bei einem Film dieser Art), die mir den Schauer über den Rücken gejagt hat. Letztlich ist er gutes Popcorn-Kino, das auf der großen Leinwand seine Stärke ausspielen kann, aber ein schales Gefühl bleibt. Hoffentlich werden beide Teile gut zusammengeführt (was mit dem plötzlichen Tod Hofmans leider schwer möglich ist) und das Gesamtwerk wird dann sichtbar.



Sonntag, 23. November 2014

The Fountain



Darren Aronofsky, USA 2006 - 9.75/10

Nachdem ich nun schon in zwei Artikeln über diesen Film geschrieben habe, will ich noch einmal in einer eigenständigen Kritik näher auf ihn eingehen. Ich werde chronologisch auf die drei präsentierten Handlungsstränge eingehen und diese näher analysieren. Es werden ein paar Spoiler folgen, also: Lesen auf eigene Gefahr. 

Wie ich schon vorher vermerkt habe: Es ist mir ohne Probleme verständlich, wieso viele Zuschauer diesen Film nicht mögen, oder ihn sogar nach einer Weile ausstellen. Er ist in seiner Machart sehr speziell. Die dreigeteilte Handlung sorgt schnell für Verwirrung, vor allem der zuletzt gezeigte Part, der gut nach der Hälfte des Films einsetzt. Kommen wir zunächst aber zu den ersten beiden Passagen. In der ersten, mit der der Film beginnt, sieht der Zuschauer den Conquistador Tomás (Hugh Jackman) auf einer Expedition in Südamerika im 16. Jahrhundert. Von seiner Königin Isabella (Rachel Weisz) hat er den Auftrag bekommen, den Baum des Lebens zu finden, um von ihm ein Elexir zu bekommen, dass sie retten soll.

Zeitsprung: Im sehr naher Zukunft (etwa 2035) fährt der Neurobiologie Tommy (ebenfalls Jackman) in sein Labor, in dem ein Affe am Gehirn operiert wird. Eine neuartige Methode soll ihn von seinem Gehirntumor befreien. Solch einen hat auch seine Freundin Izzy (ihr habt's erraten: wieder Weisz) befallen. Krampfhaft versucht er sie zu retten, versinkt immer mehr in seiner Arbeit und vernachlässigt dabei seine kranke Frau, die ein Buch, betitelt "The Fountain", über die Reise ebenjenen Tomás nach dem "Tree of Life". Als Tommy dann auch noch seinen Ehering verliert, so scheint er auch seinen Glauben an die Wunder der Wissenschaft zu verlieren. Sie überlebt nicht und er ist verzweifelt.

Ein letzter Zeitsprung: In ferner Zukunft, nach einem Sprung im Zeit-Raum-Kontinuum, schwebt ein nun glatzköpfiger Tommy in einer Blase durch das Weltall, mit ihm auf seiner Insel ein Baum, der eine Reinkarnation Izzys darstellt. Er ist auf der Suche nach dem Ort, an dem Tote wiederauferstehen, dem Nebel Xibalbá.

Während die ersten beide Teile noch äußerst logisch daherkommen, auch wenn das wiederkehrende Auftreten dieser zwei Zeitebenen schon zu verwirrend für manche Zuschauer sein könnte, so werden umso mehr beim dritten Handlungsstrang den Fernseher abstellen. Ich muss selbst zugeben, dass dieser Teil ans Absurde gemahnt, doch kann ich nur jedem einzelnen raten: Lasst euch auf diesen Film ein, solch solch einen sowohl emotionalen, als auch atemberaubenden Trip werdet ihr kaum vorher bei einem Film erlebt haben. Die Handlung funktioniert und löst Emotionen aus, was vor allem an der Chemie zwischen Jackman und Weisz liegt, die beide ihre besten Performances abliefern.

Aronofsky hat es seit jeher verstanden wahnsinnige Bilder zu produzieren und besonders in diesem Werk ist es ihm gelungen. Man braucht sich nur das Bild anzusehen, das ich als Titelbild ausgewählt habe. Dort sehen wir Tomás kurz vor dem Baum des Lebens. Eine andersartige, unbekannte, exotische Farbe durchzieht die Szenerie, die noch durch das gespiegelte Sonnenlicht im Becken und der Baumkrone verstärkt wird. Das Objekt der Begierde ist so nah, doch gleichzeitig liegen Welten dazwischen. Die gesamte Szene wirkt wie ein Gemälde, was man von so gut wie jeder einzelnen Szene behaupten kann.

Die Musik von Clint Mansell tut ihr übriges. Ihr müsst die Überschrift noch einmal anklicken, der Titelsong wird daraufhin im neuen Link erscheinen. Schließt kurzzeitig eure Augen und stellt euch die von mir im Bild beschriebene Szene vor. Dann schaut euch den Film an. Mit solch einer Einstellung müsst ihr ihn sehen, die Farben und Motive völlig ausschöpfen und im Film versinken. Das Mittelstück bietet zwar nicht so berauschende Bilder, doch da ist es die menschliche Beziehung zwischen Tommy und Izzy, die einem extrem nahe geht.

Ein letztes mal: Lasst euch auf diesen Film ein und ihr werdet kaum einen alle Sinne ansprechenden, intensiveren Film finden können. 

Mittwoch, 19. November 2014

Der fantastische Mr. Fox

If I think what is happening, is happening... it better not be.



Fantastic Mr. Fox - Wes Anderson, USA 2009 - 9/10

Das fünfjährige Jubiläum eines der detailliertesten, aufwändigsten, dabei aber auch lustigsten und gleichzeitig herzergreifendsten Animationsfilme der letzten Jahre wurde letzte Woche gefeiert (13.11.2009) und dies ist Grund genug für mich euch auf dieses Kleinod aufmerksam zu machen, das in Deutschland leider nicht so erfolgreich war, wie ich es mir erhofft habe. Denn dies ist zwar dem Anschein nach ein Kinderfilm, doch weit gefehlt, schließlich hat der Meister des tiefgehenden und dennoch federleichten Autorenkinos diesen Film gedreht: Wes Anderson persönlich, das Mastermind hinter solchen modernen Klassikern wie "Rushmore", "Die Tiefseetaucher" und ganz aktuell "Moonrise Kingdom" und "Grand Budapest Hotel" (immer noch meine Nr 2 des Jahres 2014).

Alle Tiere in diesem Film können reden, was ihr euch natürlich schon gedacht habt. Der ehemalige Hühnerdieb und derzeitige Journalist Mr Fox (im Original gesprochen von George Clooney) lebt in einem gemütlichen Bau mit seiner Frau Mrs Fox (Meryl Streep) und deren Sohn Ash (Jason Schwartzman). Schauen wir uns einmal gemeinsam das Titelbild an: Dort sitzt Fox in Hemd und Krawatte am gedeckten Frühstückstisch mit seiner morgendlichen Zeitung. Auch das Ambiente sieht aus wie das übliche Ess- Wohnzimmer einer Kleinfamilie: Töpfe hängen an der Wand, das Radio läuft links und das Marmeladenglas rechts ist schon geöffnet. Ash geht verschlafen zurück in sein Zimmer, er ist nur in Unterhose bekleidet (typisch für einen Fuchs?!). Sobald das Essen auf dem Tisch steht, verschlingt Fox sein Mahl in vielleicht drei Sekunden in Rautier-Manier, so vermenschlicht ist der dann doch nicht.


Der Clou des Films sind dessen Figuren, die alle menschliche Züge besitzen. Mr. Fox sieht zwar wie ein gewöhnlicher Fuchs aus, ist aber ein Businessman (und das nicht nur von seiner Kleidung her). Als Fox ein Angebot seines Immobilienmaklers Badger (hier als Dachs zu hören: Bill Murray) bezüglich eines leerstehenden Baumes erhält, schlägt er kurzentschlossen zu, denn er wollte stets in ein größeres Domizil mit seiner Familie ziehen. Der Umzug läuft problemlos, Fox' bester Freund Kylie, eine Beutelratte (Wallace Wolodarsky ist der Sprecher) hilft tatkräftig mit. Doch es droht Ungemach: In nächster Nachbarschaft befinden sich die Höfe der drei Brüder Bean, Bunce und Boggis. Sie halten Hühner, stellen Pasteten und Apfelwein her. Die alten Jagdtriebe von Fox werden neu geweckt und so begibt er sich des Nachts heimlich auf Diebestour durch die plötzlich interessante Nachbarschaft.

Der Film deckt viele Genres ab, neben der klassischen Actionkomödie (Foxs Streifzug durch Hühnerstall und Co.), gibt es auch noch größere Einbruchsfilme á la "Ocean's 11", bei der ein Team zwecks Diebstahl zusammengestellt werden muss. Es folgen noch Teeniefilm an der Highschool, besonders dann, als Cousin Kristoffersen (Eric Chase Anderson) zu Besuch kommt - sehr zum Missfallen von Ash. Beim Schulsport mit Coach Skip, ein Fretchen (gesprochen von Owen Wilson), lernt man sogar noch eine völlig neue Ballsportart kennen, die noch hundertmal komplizierter ist als Quidditch. Es ist nicht die einfache, simple Geschichte eines süßen, kleinen Fuchses (der er nichtsdestotrotz immer noch ist), sondern weitaus komplexer. Die Relation der Figuren zueinander ist wunderbar herausgearbeitet, alle wachsen einem ans Herz - natürlich nicht die drei fiesen Brüder, sie sind klassische Antagonisten, die bewusst keine Beziehung zum Zuschauer aufbauen können und sollen.

Es wurden handgemachte Figuren für das Werk Andersons hergestellt und in insgesamt um die 56.000 Szenen mühevoll platziert. Dieser Aufwand lohnt sich. Man hätte ihn genausogut am Computer mit Spezialeffekten erstellen können, doch so blieb eine riesige Portion Charme übrig, man kann sich vorstellen, wie man als Zuschauer selbst die einzelnen Figuren bewegt hätte. Eben weil Bewegungen teilweise ruckartig geschehen, fällt das sterile, perfekte von 3D-Welten weg, das mich schon lange stört. Der Humor kommt nicht zu kurz, ganz im Gegenteil. Es gibt mehrere extrem lustige Running Gags (ich sage nur: "Blaubeere"), Situationskomik und cleveres Timing bei den Dialogen (aber natürlich nur im Original, aber bei dem All-Star-Cast liegt es nahe diese Version zu wählen), dass man nach den rasanten Actionszenen viel Grund zum Lachen hat.

Ich hätte mir teilweise noch mehr Hintergrund zu den einzelnen Figuren gewünscht, da es aber schon so sehr schwierig war, diesen Film herzustellen lässt sich dies verschmerzen. Da er auf einem Kinderbuch von Roald Dahl ("Charlie und die Schokoladenfabrik") basiert, vermute ich, dass mehr Material auch einfach nicht vorhanden ist. Dies ist einer der wenigen Filme, von denen ich mir eine Fortsetzung wünsche.

Wer einen cleveren, unheimlich charmanten und extrem lustigen "Old-school"-Animationsfilm sehen will, der ist beim Meister Wes Anderson genau richtig!

Freitag, 14. November 2014

Moneyball

There are rich teams and there are poor teams. Then there is fifty feet of crap and THEN there's us.



"Die Kunst zu gewinnen - Moneyball" (deutschter Titel)
Bennett Miller, USA 2011 - 9.25/10 (NUR der Sportteil: 9.5/10)

Diese Kritik wird sehr persönlich werden, denn dieser Film hat mir einen neuen Sport begreiflich gemacht, was bislang so gut wie noch nie vorher passiert ist. Es geht um die "American pastime", dem Baseball. Wenn man bislang gedacht hat: "Ja gut, so spannend ist das jetzt aber nicht", dann kann ich das gut verstehen. Denn eine Partie Baseball in der MLB (Major Baseball League) dauert unbestritten viel zu lang und der Ablauf eines Matches ist für die heutige Konsumgesellschaft um einiges zu langsam (vor allem auch im Vergleich zur NBA, auf den ich noch häufiger zu sprechen kommen werde). Warum dieser Film es trotzdem geschafft hat, die Sportart so interessant zu machen, dass ich mir seitdem teilweise des Nachts den Wecker stelle, um eine bedeutungsvolle Partie anzusehen (am liebsten eine der Chicago Cubs), diese Frage versuche ich in den nächsten Abschnitten zu beantworten.

Zunächst einmal muss gesagt werden, dass der Film ohne dessen Hauptrolle nicht funktionieren kann. Denn ich wage zu behaupten, wenn einer der Top 5 Schauspieler weltweit der Star des Films ist, dann kann man zumindest mit einem guten Gewinn am box office rechnen. Es war jetzt kein Kassenknüller, aber hat ohne Probleme sein Budget wieder eingespielt. Dies liegt an der Starpower von Brad Pitt, der die Figur des Managers der professionellen Baseballmannschaft Oakland Athletics (in Folge der Kritik "Oakland A's" genannt) spielt. Meiner Meinung nach wird der Film allein durch den Namen "Brad Pitt" auf dem Filmplakat schon einiges an Gewinn gemacht haben. Aber auch ohne ihn, der nebenbei bemerkt, eine seiner besten Performances der letzten Jahre liefert und völlig zurecht für den Oscar als bester Hauptdarsteller nominiert wurde.

Genau wie die Figur des Billy Beane, gibt oder gab es alle dargestellten Personen im echten Leben, was dem Film eine spannende Tiefe verleiht. "Basierend auf wahren Ereignissen" ist ein Slogan, der automatisch dafür sorgt. Aber kommen wir zur Handlung: Der Film beginnt im Jahr 2001. Die Oakland A's befinden sich in den Playoffs der Amerikanischen Baseball Liga (MLB) gegen die steinreichen New York Yankees, gegen die sie chancenlos ausscheiden. Drei der besten Spieler der A's werden in der nun folgenden Off-Season den Club verlassen und so steht Beane vor der schweren Aufgabe, einen Kader zu formen, der auch in der kommenden Saison konkurieren kann. In der MLB gibt es keine Gehaltsobergrenze und so haben die reichen Clubs aus den drei großen Städten (New York, Chicago und Los Angeles) automatisch einen Wettbewerbsvorteil. Sein Club hat nur ein sehr geringes Budget und muss deshalb bei den Top Free-Agents (also Spielern, bei denen der Vertrag ausgelaufen ist) meist passen, weil sie andere Gehaltsvorstellungen haben, die nicht mit den anderen Spielern des Clubs übereinstimmen.

Als Beane nun also auf der Suche nach neuen Spielern nach Cleveland zu den Indians reist, werden dessen Trade-Angebote reihenweise abgelehnt. Ein junger, übergewichtiger und dem Augenschein nach gar nicht sportlicher junger Mann namens Peter Brand (Jonah Hill), flüstert dem Manager der Indians seine Meinung ins Ohr. Nach dem gescheiterten Besuch kommen Beane und Brand ins Gespräch. Brand ist ein Wirtschaftswissenschaftler von der Yale Universität. Das besondere an ihm ist, dass er Baseballspieler mit anderen Maßstäben bewertet, als es alteingesessene Scouts jahrzehntelang vorher getan haben. Für seine Methode ist es nur wichtig, ob ein Spieler eine bestimmte Sache gut kann und das reicht ihm schon. Auf diese Weise will Beine Spieler verpflichten, die bei vielen Teams durchs Raster gefallen sind, zum einen ewige Talente, die falsch eingesetzt wurden, oder auch verletzungsanfällige Spieler, an die er aber glaubt und die weniger leisten müssen, nur das machen sollen, was er genau von ihnen will.

Scouts sehen eher das Gesamtbild: Ein Spieler muss am besten zehn Sachen gleichzeitig gut können und dabei noch gut ins "Gesicht des Clubs passen". Hier treten also zwei Philosophien aufeinander. Beane stört das aber im keinsten Fall und prompt engagiert er Berg, der von nun an sein persönlicher Assistent ist. Der neue Stil kommt nicht gut im Club an. Der bereits erwähnte, routinierte (um es mal nett auszudrücken) Scouting staff will gar nichts davon wissen, die erste Teamsitzung ist sensationell. Genauso geht es mit dem Trainer, Art Howe (Philip Seymour Hoffmann, R.I.P.). Er sieht genauso seine festgelegte Reihenfolge, die er in den Spielen vorgesehen hat. Als die Saison immer näher rückt, ist dieses Reizklima immer noch nicht beseitigt und manche neu verpflichtete Spieler machen noch keinen besonders guten Eindruck. Die Saison beginnt prompt mit einer Niederlage...

Es ist nicht einfach in solch einem klassischen Sport wie Baseball neue Methoden zu implementieren. Das lernen Beane und Brand auf die harte Tour. Es ist faszinierend mit anzusehen, wie der Alltag im Profisport aussieht und was für Kämpfe stattfinden. Ich persönlich hatte bislang keine Vorstellung davon, wie schwer es sein könnte, einen Spieler zu entlassen. Diese Szenen sind mit Fingerspitzengefühl gedreht worden, was Regisseur den ganzen Film über macht. Seine Kamera befindet sich zum Großteil im Hintergrund, wird nur ganz selten nah rangeholt. So entsteht zwar eine Distanz, die den Zuschauer aber erlaubt, mit Abstand das Gesamtbild betrachten zu können.

Die Sportszenen sind allesamt phänomenal gut gelungen, die Atmosphäre eines Baseballmatches wird treffend vermittelt, wo der Film aber besonders punktet, ist die Handlung hinter den Kulissen eines professionellen Sportteams. Das Verhältnis der Spieler untereinander im Klubhaus, oder eben die bereits erwähnten Spielerverhandlungen sind in die Handlung integriert. Besonders die Szene, in der die Trade-Deadline kommt, gehört zu den besten des gesamten Films. Die Action, die dort vermittelt wird, ist greifbar und gewährt einen Einblick, die den Fans des Sports (auch der NBA, mit der ich mich bislang primär beschäftigt habe) bislang verwehrt geblieben ist.

Der Trend, Sport mit modernen Methoden zu betrachten, hat heute nicht nur beim Baseball Einzug gehalten, sondern auch in der NBA. Es wird gemessen, von welcher Stelle des Platzes der jeweilige Spieler wirft, oder wie gut er seinen Gegenspieler verteidigt. Wenn man solche Daten analysiert, dann kann man Erfolg haben. Das wussten Berg und Beane damals zu Beginn der neuen Dekade im Baseball. Dieses Umdenken hat heute sehr viel mehr Gewicht, als es damals den Anschein hatte und es ist spannend zu sehen, wie sich diese Bewegung entwickelte.

Der Film ist vor allem für Leute interessant, die sich viel mit amerikanischem Sport auseinander setzen, für den Laien dürfte es sehr schwer werden. Es wird zwar versucht, Begriffe begreifbar zu machen, doch fällt es nicht immer leicht. Um die Situation etwas aufzulockern und die Hintergründe der Hauptfiguren klar zu machen, wurde das Privatleben Billy Beans mit in den Film genommen, hier vor allem seine Zeit mit seiner Tochter, die ihn fast jedes Wochenende besucht. Diese Szenen sind per se nicht schlecht, doch passen sie nicht so recht ins Gesamtbild des Films und nehmen jedes mal einiges an Tempo raus. Hier wäre weniger mehr gewesen.

Ansonsten habe ich nichts anzumerken. Wer bislang nichts mit Baseball anfangen konnte, könnte nach dem Film genauso zum Fan werden, wie ich es einer geworden bin. "Moneyball" ist einer der besten Sportfilme der letzten zehn Jahre, mit sehr guten Performances von Pitt und vor allem Jonah Hill, der den "Nerd" zur Perfektion spielt. Meine vollste Empfehlung.


Freitag, 7. November 2014

Interstellar



Christopher Nolan, USA 2014 - 9.25/10

Die Erde stirbt. Man möchte fast sagen "schon wieder", denn es gab so viele Filme mit Endzeit-Szenarien in letzter Zeit. Dieser hier beginnt nicht anders: Eine dicke Sandschicht befindet sich auf jeglichen Objekt in der Kleinstadt, in der die Handlung einsetzt. Und so 08/15 die Handlung bislang klingt, verzweifelt nicht, denn Nolan hat es wieder geschafft: Ein unfassbar faszinierendes Epos, das uns weit über die Grenzen der Erde hinausbringt.

Neben den Sandstürmen geht jegliche Nahrung auf der Erde ein, letztlich kann nur noch Mais wachsen. Auf solch einer Maisfarm arbeitet der ehemalige Pilot Cooper (Matthew McConaughey). Seine Kinder und sein Schwiegervater leben mit ihm dort, als eine merkwürdige Anomalie im Zimmer seiner Tochter Murph (Mackenzie Foy) erscheint. Bald erkennt er, dass aus den Zeichen auf dem Boden Koordinaten zu entschlüsseln sind, die ihn bis vor einen riesigen, von der Außenwelt abgetrennten, Komplex führt.

Ein paar Überraschungen MUSS ich verraten, also werden jetzt SPOILER folgen. Lesen auf eigene Gefahr, wer total unvorbereitet in den Film gehen möchte, sollte ab jetzt NICHT weiterlesen. Aber wer den Trailer gesehen hat, weiß eigentlich auch schon bescheid: Diese Lagerhalle entpuppt sich als letzter, heimlicher Posten der NASA. Sie haben fieberhaft Daten analysiert und sind auf ein Wurmloch gestoßen, das in eine andere Galaxie führt. Mit Coop als Pilot und anderen Wissenschaftlern wie Amelia (Anne Hathaway), die Tochter vom Boss: Professor Brand (Michael Caine). Ein sprechender, sarkastischer Roboter (der einige erstklassige Sprüche parat hat) ist ebenso mit von der Partie. Gemeinsam fliegen sie los, um einen Ausweg für die Menschen auf der Erde zu finden, vorzugsweise eine zweite Erde.

Die Szenen und Effekte im All sind atemberaubend und können ohne Probleme mit dem überragenden "Gravity" mithalten. Wo der Film von Cuarón auf knackige Action setzte, mit einer geradlinigen Geschichte, so setzt "Interstellar" auf philosophische Auseinandersetzungen über das Leben, physikalische Phänomene und eine riesige Portion Emotionen. Dies ist ohne Frage der emotionalste Film Nolans geworden. Es gab eine Szene, kurz nachdem die Mannschaft ins All gestartet war, die sehr an die Substanz geht. Man hat diese Beklemmung im ganzen Kino bemerken können, es war extrem ruhig geworden im Saal.

Zwar wird der Zuschauer im physikalischen Bereich an die Hand genommen in der Form der Figur des "Cooper", der genauso wie das Publikum neu mit der Raumfahrt konfrontiert wird, aber irgendwann gibt es leider einen Punkt, bei dem der Film ins Abenteuerliche abdriftet und dort auch verweilt, dass man verwirrt den Film verlassen wird. Das letzte Drittel bietet sehr viel Raum für Interpretationen und nach dem ersten mal wird man garantiert mit manchen Entscheidungen des Films nicht einverstanden sein, aber ich denke, dass häufiges Anschauen diesem Film gut tun wird. Manche philosophisch angehauchte Schlussfolgerungen halte ich für nicht stimmig und die Stimmen aus dem Off nerven teilweise. Michael Caine spielt zwar routiniert die weise, väterliche Rolle, aber sein Gedicht, das enorm wichtig zu sein scheint, hat mich gar nicht bewegt, was vielleicht auch an der deutschen Übersetzung liegt (im Original ist es bei ihm sowieso immer besser).

Technisch ist der Film überragend und er wird garantiert wie "Gravity" vor einem Jahr in allen technischen Kategorien (Kamera, Spezialeffekte (dort wird er siegen) und Ton) bei den Oscars nominiert werden und auch gewinnen. Ob es zu Preisen in den "großen" Kategorien kommen wird (Regie, Drehbuch, Hauptdarsteller, Film), da bin ich mir nicht sicher. Er ist vielleicht zu komplex geraten für die Academy, Stanley Kubricks "2001" - der Gold-Standard für intelligente Weltraum-Filme - hat damals, 1968, auch nicht abgeräumt.

Solange der Film jetzt noch in den Kinos läuft, müsst ihr ihn dort sehen. Auf der Leinwand ist es ein Erlebnis, mir wurde fast übel, bei der Geschwindigkeit, mit der die Raumstation rotiert. Welcher Film kann das schon von sich behaupten? Keine Sorge, er wird bewusst nicht in 3D präsentiert, sondern ganz old-school im klassischen Format und das macht auch gar nichts. Denn das Gefühl der unendlichen Weite des Alls (see what I did there?) ist greifbar und da lohnen sich sogar um die zehn Euro Eintritt. Matthew McConaughey bietet fast eine one-man-show als mutiger Held, der alles für seine Familie machen will und gleichzeitig die Zukunft der Menschheit im Sinn hat. Ein Dilemma, das den ganzen Film enorm spannend und intensiv macht.

Wer also einen spektakulären Film über das Ende der Welt und gleichzeitig unbekannte Planeten im weiten Weltall sehen möchte, der ist hier genau richtig. Macht euch auf enorm emotionale Szenen bereit und schaltet einfach euren Kopf für fast drei Stunden ab, man muss kein Physiker-Pro sein (SCIENCE, bitch!) um den Film zu genießen.

PS: Der Song der Überschrift ist von einer meiner Lieblingsbands - Touché Amoré. Wer sie noch nicht kennen sollte, der hole das schleunigst nach. Sensationell.

Donnerstag, 6. November 2014

Special: Die 10 besten Filme 2000-2009 (Post Nr. 100)




Dieser Post wäre natürlich schon viel früher erschienen, da ich meinen blog aber noch nicht im Jahr 2010 betrieb, dachte ich, dass es an der Zeit wäre zur Feier meines 100. Posts (WOOOOHOOOO!!!!) euch mal wieder eine Top 10-Liste zu präsentieren. 

Heute geht es um die zehn besten Filme der Jahre 2000 bis 2009, also dem ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts. Diese Zeit markiert auch den Moment, in dem ich mich zum ersten mal wirklich intensiv mit Filmen beschäftigt habe. Viele der Filme werdet ihr schon kennen, ich habe zu den meisten bereits eine Kritik verfasst, zu der ich natürlich verlinken werde. Auch bei den "Oscar-Specials" zu Beginn, habe ich viel über diese Werke geschrieben. Nichtsdestotrotz sind dies die Filme, die mir unglaublich wichtig sind und die jeder von euch gesehen haben sollte. Die Auswahl fällt mir sehr schwer, im nächsten Post werde ich auf die "Verlierer" eingehen, die es nicht in die Top 10 geschafft haben, die aber dennoch unglaublich sind. Ohne weitere großen Vorreden steigen wir in die Liste ein von Platz zehn bis Platz eins.
Heißer Tipp: Vor dem lesen des jeweiligen Artikels: Überschrift anklicken und die Boxen aufdrehen!

Platz 10: Mulholland Drive (David Lynch, USA 2001)

Dies ist der merkwürdigste und gleichzeitig faszinierendste Film der ersten Dekade. Er beginnt wie jeder andere, 08/15 Film über eine jungen Frau namens Betty (Naomi Watts), die aus dem Midwest ins sonnige Los Angeles reist, um ihrem Traum eine Schauspielerin zu werden, zu verfolgen. Doch in der sagenumwobenen Straße durch die Hollywood Hills geschieht ein Unfall, bei der Rita (Laura Harring) verletzt wird und ihr Gedächtnis verloren hat. Sie und Betty treffen aufeinander und letztlich zieht Rita zu Betty in die Wohnung.

Wie gesagt ist es bis dahin ein total gewöhnlicher Film, doch DANN ist plötzlich alles anders. Ihr jetzt so: HÄ?! Aber ich werde nicht mehr verraten, um den Effekt nicht zu zerstören, seid euch nur sicher, dass ihr genauso geschockt sein werdet, wie ich beim ersten mal. Doch das macht diesen Film so besonders und einen der komplexesten, dabei aber auch süchtig machenden Filme der letzten 20 Jahre, denn man will ihn entschlüsseln und begreifen. Ob dies nun die Absicht David Lynchs war, das kann ich nicht sagen, aber seid euch gewiss, ihr werdet den Film, der im Grunde ein einziger langezogener Trip ist - mit sensationellen Bildern von LA und famosen Darstellern (vor allem das Frauengespann) angezogen, verspeist und verstört zurückgelassen werden. Wer einen wirklich anspruchsvollen, aber unheimlich faszinierenden Film sehen möchte, der komplett anders ist, der ist hier genau richtig. Fans von "Twin Peaks", "Blue Velvet" und "Lost Highway" sowieso.




Platz 9: Road To Perdition (Sam Mendes, USA 2002)

Eine kleine Stadt nahe Chicago im Jahre 1931. Mike Sullivan (Tom Hanks) ist der "Mann für's Grobe" des irisch-amerikanischen Gangsterbosses John Rooney (Paul Newman in seiner letzten großen Rolle) und zusammen mit dessen Sohn Connor (Daniel Craig), muss er einen Auftrag erledigen. Da Mikes Sohn - Mike Jr. - ziemlich neugierig ist und sein Vater stets kein Wort über seine Arbeit verloren hat, versteckt er sich natürlich im Wagen seines Vaters, als dieser eine Auftrag gehörig versaut wird (danke, Connor...). Junior hat alles gesehen und die Organisation von Rooney erlaubt keine Fehler. Vater und Sohn sind von nun an zusammen "on the road".

Wenn ihr euch später die gesamte Liste anschauen werdet, dann wird euch auffallen, dass dies hier der "klassischste" Hollywood-Film der Liste ist. Er ist im Grunde auch nur ein "gewöhnlicher" Gangster-Film, doch wenn man dieses Genre einmal näher betrachtet, dann halte ich diesen Film hier für den besten seiner Art der letzten 20 Jahre. Alles ist perfekt: Es gibt interessante Charaktere (Jude Law kommt nach einem Drittel als Bösewicht ins Geschehen), er besitzt eine fesselnde Geschichte, epische Musik und vor allem sind es die atemberaubenden Bilder. Der letzte Film von Condrad L. Hall (völlig zu Recht mit dem Oscar ausgezeichtet) bietet Momente, die mit zum atemberaubendsten gehören, was ich in den letzten 20 Jahren gesehen habe. Allein die Schießerei beim Gewitter ist das Einlegen der DVD wert. Wer einen klassischen Gangster-Film sehen will, kommt an diesem nicht vorbei.




Platz 8: The Fountain (Darren Aronofsky, USA 2006)

Sehr viele Leute haben ein Problem mit diesem Film. Er spielte nur 15$ Mio ein und auch die Kritiker waren nicht angetan von Aronofskys Nachfolge von "Requiem For A Dream" (2001), das viele Jahre in der Produktion war und auch einen kompletten Neuanfang nehmen musste, nachdem Brad Pitt als Hauptdarsteller ausstieg. Nichtsdestotrotz muss ich sagen: Ich liebe diesen Film.

 Er ist so herrlich anders, dass es eine Freude ist. Er ist absolut nicht perfekt, manche Szenen hätte man komplett streichen, oder kürzen können, doch in seiner Gänze ist er unheimlich faszinierend. Die episodenhafte Erzählstruktur schreckt viele Zuschauer ab, der Film ist in drei Teile geteilt, von denen zumindest ein Teil komplett anders ist, als man es zuvor erwartet haben wird.

Der Film spielt in drei Zeitzonen: Die erste ist in Südamerika angesiedelt, das Jahr ist 1505 und ein Conquistador der spanischen Krone soll für seine Königin den Baum des Lebens finden, der sie vor dem Tod retten soll. Danach geht es ins Jahr 2005. Der Forscher Tommy versucht verzweifelt, seine Frau Izzy von ihrem Hirntumor zu befreien. Die letzte Stufe spielt in ferner Zukunft, bei der ein Mann allein auf einer Insel mit Baum durch das All fliegt. Die drei männlichen Rollen werden von Hugh Jackman verkörpert, während Rachel Weisz das weibliche Pendant dazu abgibt. Beide spielen überragend.

Und ihr so: Ja nee, is klar... Es klingt verrückt, keine Frage. Doch wenn man sich auf diesen Film einlässt, ist er einer der epischsten überhaupt und gleichzeitig eine der emotionalsten Liebesgeschichten, die in den letzten Jahren auf Film gefasst wurde. 




Platz 7: Gegen die Wand (Fatih Akin, D 2004)

Der wichtigste deutsche Film der letzten Jahre. Akins Geschichte über einen desillusionierten, agressiven Mann (Birol Ünel), der nichts mit seinem Leben anzufangen weiß und die emotionale, lebensfrohe junge Türkin (Sibel Kikelli), die nicht zwangsverheiratet werden will. Beide begehen Selbstmordversuche und treffen im Krankenhaus aufeinander. Um ihrem Dilemma zu entkommen, beschließen sie selbst zu heiraten - zum Schein. Als sich jedoch Cahit wirklich in Sibel verliebt, die hemmungslos feiert, geschieht eine Katastrophe.

Der Film macht danach einen Zeitsprung und verlegt den Handlungsort von Hamburg nach Istanbul und wird noch sehr viel intensiver, als man es sich vorher gedacht haben könnte. Dies ist ein harter Film, der einen buchstäblich mit dessen Intensität ins Gesicht schlägt. Wenn man nicht darauf vorbereitet ist, kann man bewogen sein, ihn sofort wieder auszustellen. Davon rate ich euch aber ab. Schaut ihn euch an, denn er sagt so viel über menschliche Beziehungen und dessen Höhen und vor allem Tiefen.

Kikelli ist phänomenal als Sibel, ihr dürftet sie als "Shay" aus "Game Of Thrones" kennen. Leider hat man seitdem nicht mehr viel von Ünel gehört, seine Performance ist gleichwertig sensationell. Regisseur Akin gehört seit diesem Werk zu den bedeutendsten deutschen Regisseuren überhaupt, er hat nicht zu unrecht unter anderem den Goldenen Bären der Berlinale und den Europäischen Filmpreis für den besten Film gewonnen, dass es nicht der Oscar wurde, ist unverständlich. (Damals wurde "Der Untergang" nominiert, ein ganz anderer, aber kein schlechter Film, dennoch halte ich "Gegen die Wand" für so viel besser.)




Platz 6: Pans Labyrinth (Guillermo del Toro, ESP 2006)

Über diesen Klassiker des modernen, fantastischen Kinos habe ich erst vor kurzem geschrieben. Wer also Fantasy mag und etwas sehen möchte, das deutlich mehr fordert, aber auch fasziniert, als zum Beispiel "Herr der Ringe", dabei aber nicht komplett in ein erdachtes Reich tauchen möchte, der ist hier genau richtig. Macht euch aber auf ein paar schockierende Momente gefasst, ich habe euch gewarnt.




Platz 5: Eternal Sunshine of the Spotless Mind (Michael Gondry, USA 2004)

Was für ein bescheuerter deutscher Titel ("Vergiss mein nicht") aber darüber habe ich mich auch schon in der ursprünglichen Kritik aufgeregt. Das ist auch mein einziger Kritikpunkt, für den der eigentliche Film gar nichts kann. Denn er ist einer der komplexesten, emotionalsten und einfach besten Liebesgeschichten, die je auf der Leinwand festgehalten wurden. Dazu kommt noch eine abgefahrene Science-Fiction angehauchte Story über Gedächtnisreinigung, unfassbare Sets und Locations und Jim Carrey und Kate Winslet in ihren besten Rollen.




Platz 4: Brokeback Mountain (Ang Lee, USA 2005)

Der ergreifendste Film dieser Dekade. Wer sich am Ende nicht schlecht fühlt, hat kein Herz. Was wurde nicht alles über diesen Film gesprochen und was für einen Skandal hat er nicht in Amerika ausgelöst. Dabei ist es im Grunde ein harmloser Film über die Liebe, nur, dass es nicht die heterosexuelle, vom Großteil der Gesellschaft akzeptierten, Version, ist, sondern die Liebe zwischen zwei Männern. Beide wollen es nicht wahrhaben und verdrängen es über Jahrzehnte, ihr ganzes Leben zerbricht daran und endet am Ende in der Tragödie.

Heath Ledger war nie besser (auch nicht als "Joker" in "The Dark Knight"). Ich rechne seine Performance als Ennis del Mar zu den großen der amerikanischen Filmgeschichte und auch Jake Ghyllenhaal als Jack Twist ist genauso gut. Ang Lee versteht es, die Wildnis Wyomings, deren Hinterwäldler-Gesellschaft und das Klima der Angst perfekt einzufangen. Er ist so viel mehr als nur "der schwule Western" und wer das nicht versteht, der besitzt keinerlei Empathie. Es sind Menschen, die sich lieben, was kann daran falsch sein?


Platz 3: 25 Stunden (Spike Lee, USA 2002)

Meine eigentliche Kritik ist schon eine Weile her, aber mein Punkt bleibt bestehen: Dies ist einer, wenn nicht sogar der wichtigste amerikanische Film nach 9/11. Und das, obwohl hier der letzte Tag im Leben eines Verbrechers dargestellt wird. Denn es sind gerade die nicht perfekten, kaputten Bürger Amerikas, die den "american spirit" in sich tragen: Diese Gier, immer weiter machen zu wollen, die Unvollkommenheit. Eindrucksvoll kann man dies in der "F-You"-Szene sehen, die natürlich genau das Gegenteil dessen ist, was gesagt wird: Nämlich der große Liebesbeweis an eine zerstörte Psyche, an eine zerstörte Stadt, die wieder aufersteht. 



Platz 2: City Of God (Fernando Mereilles, BRA 2002)

Eines der größten Epen der ersten Dekade ("Herr der Ringe" ausgeschlossen). Der Krieg in den Favellas Rio de Janeiros ist dynamisch und faszinierend verfilmt worden, mit solch einer Geschwindigkeit, dass die über zwei Stunden wie im Fluge vergehen, wie ich schon in meiner ursprünglichen Kritik anmerkte.

Der Zuschauer wird mit so vielen Charakteren bombardiert, dass es beim ersten mal sehr schwierig ist, alle Figuren einordnen zu können. Auch erst beim mindestens dritten mal steigt man noch nicht komplett durch. Wie in einem guten Roman wird einem Jungen beim aufwachsen zum jungen Mann zugesehen (siehe "Boyhood"). Hier sind es sogar zwei: Buscape, der später einmal Fotograf wird und Löckchen, der Gangster werden wird. Zwei völlig verschiedene Wege, doch beide treffen immer wieder aufeinander, was diesen Film so faszinierend macht. Vollste Empfehlung und er wäre auch fast meine Nummer 1 geworden, wenn da nicht ein gewisser anderer, in England spielender Film gewesen wäre...



Platz 1: Children of Men (Alfonso Cuarón, UK 2006)

Konnte es nach all meinen vorherigen Huldigungen ein anderer Film geworden sein, der den ersten Platz einnehmen würde? Nein, konnte es nicht. Denn seitdem hat mich kein Film mehr fasziniert, oder auch ähnlich staunend, ob all der dargestellten Dinge, zurückgelassen. Wenn man sich vorstellt, was allein in den zahlreichen Kamerafahrten für Dinge produziert, Leute angewiesen, Kulissen und Kostüme fertiggestellt werden mussten, ist man einfach sprachlos. Das England, das hier dargestellt wird, ist erschreckend und die Konsequenzen, welche die hier präsentierte Welt und deren darin lebenden Menschen erleben müssen, sind unvorstellbar. Ein Meisterwerk, das ich noch in Jahrzehnten immer wieder mit Staunen sehen und einfach erleben werde.


Sonntag, 2. November 2014

Zodiac - Die Spur des Killers

I need to know who he is. I need to stand there, I need to look him in the eye and I need to know that it's him.


David Fincher, USA 2007 - 9.5/10

Dieser Film macht mir Angst. Ich habe mit der Hauptfigur so dermaßen mitgefühlt, wie ich es bislang sehr selten, eigentlich nie zuvor gemacht habe. Die Figuren im Film hat es alle echt gegeben, der Zuschauer folgt dem Karikaturisten Robert Greysmith (Jake Gyllenhaal) vom Jahr 1968 an, wie er von den "Zodiac"-Morden erfährt und immer weiter in der Geschichte verstrickt wird und sie versucht zu lösen. Er wird dadurch schon fast manisch und vergisst nicht nur seine eigene Familie, um auf die Spur des Killers (see what I did there?) zu kommen. Weil er eben kein Polizist ist, kann der Zuschauer hier viel besser mit ihm sympathisieren. Er ist einfach ein ganz gewöhnlicher Jedermann, der Spaß an Rätseln hat und eigentlich nur durch Zufall in die Mordermittlungen verstrickt wird.

Dass diese Geschichte so einen riesig langen Zeitraum beanspruchen sollte, war zu Beginn des Films absolut nicht abzusehen. Letztendlich werden gut und gerne fast 25 Jahre Ermittlungen gezeigt, so schwierig war es den Täter ausfindig zu machen. Wie diese Ermittlungen allerdings präsentiert werden, ist sensationelles Kino, das zwar viel Geduld des Zuschauers bedarf, wenn diese aber vorhanden ist, um so größer zurückgezahlt wird. Es ist mit über zweieinhalb Stunden Laufzeit ein wahrer Brocken von einem Film, aber wenn man den Aufwand, technische Raffinesse und dabei auch die dynamische, mitreißende Handlung bedenkt, lohnt es sich ungemein in dieses Werk von Fincher einzusteigen.

1968: Die Redaktion des San Francisco Chronicle erhält ein Bekennerschreiben des sogenannten "Zodiac-Mörders", der auch gleich noch einen verschlüsselten Brief anhängt, der doch bitteschön gleich mal auf die Titelseite abgedruckt werden soll, ansonsten begehe er einen weiteren Mord. Star-Reporter Paul Avery (Robert Downey Jr. - leider zu kurz zu sehen, aber unfassbar witzig "I've been thinking" - "Oh god, save us all."), ist an dem Fall dran und auch der bereits erwähnte Graysmith wird mit in die Sache gezogen, als er kurzentschlossen das Rätsel löst. Dies beeindruckt auch den stets adrett gekleideten Polizisten Dave Toschi (Mark Ruffalo), der ihn zähneknirschend in die Ermittlungen integriert.

Jahre vergehen, aber "Zodiac" bleibt weiter unentdeckt, obwohl noch weitere Morde geschehen, Briefe erscheinen und er sogar per Telefon zu einer Fernsehsendung zugeschaltet wird. Toschis Partner wechselt seine Dienststelle, Graysmith sollte sich eigentlich freuen, denn er findet eine nette Freundin (die bei ihrem ersten Date gleich mit den Ermittlungen konfrontiert wird), Avery wird gefeuert und mutiert zum Säufer. Aber sie waren schon so nah am Täter dran und Graysmith kann den Fall nicht ruhen lassen...

Dieser Film zeigt eindrucksvoll was passiert, wenn Menschen einer Manie erlegen sind. Natürlich ist es so, dass ein Mörder nach solch schrecklichen Taten gefasst werden muss, aber wie es auch Paul Avery im Film formuliert hat: Es sind weitaus mehr Menschen in Unfällen gestorben, als "Zodiac" Leute umgebracht hat. Also bleibt die Frage: Ist es das alles wert? Graysmith kennt diese Frage nicht, sondern will die Lösung wissen, ohne seine Verluste zu bedenken. Der Zuschauer wird genauso wie er immer tiefer in die Ermittlungen hineingezogen und kann schon eine Lösung erahnen. Das macht diesen Film so unfassbar spannend. Ich kann natürlich nicht näher auf Details eingehen, denn ihr müsst ihn schon selber sehen, aber im letzten Drittel gibt es eine Szene, in der Graysmith allein in einen Keller geht... Ich habe ohne Übertreibung fast die Lehnen meines Kinosessels in Stücke gerissen, so unfassbar spannend war diese Szene.

Technisch ist der Film über alle Zweifel erhaben. Fincher versteht es durch die Wahl seiner Drehorte, der Kulissen und vor allem der 60er/70er/80er-Jahre Ausstattung ein Kalifornien auferstehen zu lassen, das es heutzutage nicht geben kann. Es wurde so viel Wert auf Details gelegt, dass man von diesem Film nur beeindruckt sein kann. Wieso er nicht mit Oscar-Nominierungen überhäuft wurde, kann ich euch auch nicht sagen. Völlig zu Recht gilt er heute als einer der besten Filme von 2000 bis 2009 (meine Top 20 wird mein nächster und 100. Post sein (yeah) !!).

Was mich noch von der Höchstnote abhält, ist trotz der mitreißenden Inszenierung, die Länge des Films. Man muss sich komplett auf Finchers Werk einlassen. Ich brauchte drei Anläufe, bis ich ihn mir zum ersten mal nach meinem Kinobesuch wieder gesehen habe. Aber bedenkt man, mit was für einem Aufwand der Film gedreht wurde, so kann man vom langsamen Beginn absehen und sich einfach nur auf die Details konzentrieren. Allein in der ersten Stunde wird der Zuschauer mit so vielen Fakten bombardiert, dass ihm schwindelig wird. Das große Manko allerdings ist meiner Meinung nach, dass zu viele Handlungsstränge im nichts verlaufen, oder nicht zufriedenstellend abgeschlossen werden (auch hier wieder als Beispiel: Die Szene im Keller...).

Insgesamt aber haben wir es hier mit einem der besten Thriller der letzten 20 Jahre zu tun, der den Zuschauert mit einem unfassbaren Grad an Detailreichtum in eine längst vergangene Zeit zurückversetzt. Eine Spannung wird aufgebaut, die ich seitdem von keinem Film aus diesem Genre erleben konnte. Kurze, sehr gute Performances von Mark Ruffalo und Robert Downey Jr. runden das sehr gute Bild ab und Jake Gyllenhaal bietet eine tolle Performance. Wer viel Zeit und Geduld mitbringt, wird mit einem der besten Filme David Finchers belohnt.

Samstag, 1. November 2014

Pans Labyrinth

A long time ago, in the underground realm, where there are no lies or pain, there lived a princess who dreamed of the human world


Guillermo del Toro, ESP 2006 - 9.75/10

Spanien zur Zeit des Faschismus, Franco war an der Macht. In dieser Geschichte kommt ein ranghoher, schrecklicher General vor, welcher der große Antagonist ist - und ehrlich gesagt einer der größten Bösewichte, die jemals auf Film festgehalten wurden. Zum Haus von eben diesem General Vidal (Sergi López) reisen die junge Orphelia (Ivana Baquero) und deren hochschwangere Mutter (Ariadna Gil) in Zeiten nach dem Spanischen Bürgerkriegs (1936-1939). Wir schreiben das Jahr 1944. An der Villa angekommen, sind dort viele Soldaten aus der Bataillon des Generals versammelt, man vermutet Rebellen in den umliegenden Wäldern.

Das ist allerdings nur ein Nebenhandlungsstrang - wenn auch ein extrem wichtiger - aber der Film dreht sich um Orphelia. Sie ist von Natur aus ein sehr neugieriges Mädchen und schon auf der Fahrt zur Villa macht sie eine interessante Entdeckung: Eine alte Skulptur fällt ihr auf, die sie auch flux repariert. Sie fährt weiter doch die Kamera bleibt auf dem nun wieder ganzen Kunstwerk, das den Kopf einer merkwürdigen gehörnten Figur zeigt. Ein Insekt erscheint darauf, oder ist es eine kleine Fee? Wenig später ist der Wagen angekommen und während Orphelias Mutter sich in ihr Bett legen muss, streunert die Abenteurerin durch das Anwesen. Dort trifft sie auf das hauseigene Labyrinth, in das sie NATÜRLICH ohne Zögern hineinmarschiert, aber bevor sie sich verlaufen kann, von der Angestellten Mercedes (Maribel Verdú aus "Y Tu Mamá También") aufgefunden wird. Dies war allerdings nicht ihr letzter Versuch herauszufinden, was im Labyrinth vor sich geht.

Das bereits angesprochene Insekt / Fee hat von der Heldentat Orphelias einer noch mysteriösereren Figur berichtet, die daraufhin beschließt Orphelia einen Besuch abzustatten. Diese Figur ist der sagenumwobene Faun (Der "Pan" aus dem Titel, wurde benutzt um Verwechslungen mit dem englischen "fawn" zu vermeiden), der ihr, nach deren erschrecken, von drei Aufgaben zu berichten weiß. Sie sei die verschollene Prinzessin und sie müsse zu ihren Eltern zurückkehren.

So märchenhaft diese Geschichte nun auch klingt, sie ist es keineswegs. Viel mehr ist es ein Horror-Märchen für Erwachsene, dessen größter Horror in der Echtzeit verwurzelt ist - den General und dessen Gräueltaten habe ich schon erwähnt. Doch auch Orphelia erwarten harte Prüfungen, die eine ganze Reihe von kaum vorstellbaren Kreaturen mit sich bringt. Jedes gute Märchen hat einen bitterbösen Unterton - kennt ihr die Original-Version von "Aschenputtel" der Brüder Grimm? Keine Mutter würde sie heute kleinen Kindern vorlesen - und so hat dieser Film neben dem Fantastischen auch das abgrundtief Böse. Keiner Figur kann man trauen, vor allem nicht den Menschen. 

All das macht diesen Film so besonders. Neben der technischen Perfektion, denn nicht umsonst hat dieser Film aus Spanien drei Oscars gewonnen - Kamera (u.a. gegen Lubezki für "Children of Men" und Pfister für "Prestige"), Ausstattung und Make-Up. Die Drehorte sehen alle spektakulär aus, in jeder Szene gibt es versteckte Details zu entdecken, man fühlt sich wie Orphelia beim anschauen dieses Films, was del Toro mit Sicherheit genauso geplant hat. Wäre dieses Meisterwerk in den letzten Jahren erschienen, hätte es garantiert noch einige Nominierungen mehr erhalten, hundertprozentig in der Kategorie "Bester Film", bei der bis zu zehn Film berücksichtigt werden können. Die Schauspieler wissen durch die Bank zu überzeugen, allen voran Lopéz als sadistischer verlängerter Arm Francos, der genauso gut für den "Besten Nebendarsteller" hätte nominiert werden können, hat der doch einen der ikonischen Antagonisten der jüngeren Filmgeschichte geschaffen.

Ein Triumph des fantastischen Films und so viel besser, als jeglicher Fantasy-Film der in den letzten fast zehn Jahren erschienen ist. Es ist die Tiefe, die hier so eine wichtige, große Rolle spielt, dass sich dieses scheinbare Märchen von dessen Rest (zum Beispiel die schreckliche "Alice"-Version von Disney) abhebt. Wer sich also in fremde Welten versetzen lassen kann, die dann doch nicht so fremd wirkt, der ist hier genau richtig. Manchen Szenen sind extrem hart geworden, Kinder sollten dieses Werk nicht sehen dürfen, vor allem die Szene aus dem Bild oben ist sehr verstörend. Freunde von Tinkerbell, bitte wegschauen und Ohren zuhalten. 

Wer einen Klassiker sehen will, der auch ein paar wohlgesetzte Horror-, Fantasy-, und Drama-Elemente besitzt, der ist hier absolut richtig.

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