Montag, 27. April 2015

The Avengers 2: Age of Ultron

The gang's all here!


Joss Whedon, USA 2015 - 8/10

Der zweite Teil des Superhelden Multi-Packs "Avengers", wurde wie der extrem unterhaltsame Vorgänger, erneut von Joss Whedon inszeniert. Zuschauer, die mit dem Material nichts anfangen können seien gewarnt, für Neueinsteiger ist dieser Film nichts, alle Beziehungen zwischen den einzelnen Figuren sind vom ersten Teil übernommen und auch durch die einzelnen Filme der Helden - Thor, Iron Man und Captain America - muss man sich im Vorhinein informiert haben, denn sonst steht man etwas verloren vor dem ansonsten recht simplen Actionvergnügen.

Der Zuschauer wird ohne jegliche Exposition ins Geschehen geworfen. Die sechs Helden - neben den drei bereits erwähnten sind es Black Widow (Scarlett Johansson), Bruce Banner aka HULK (Mark Ruffalo) und Hawkeye (Jeremy Renner) - ziehen direkt in die Schlacht. In einem lauschigem, verschneiten Wäldchen werden diverse Nazis erledigt (oder sollte ich besser "Hydra-Schergen" sagen?? - die kennt man ja noch gut aus dem bislang besten Marvel Film Captain America 1). Als die Festung eingenommen wird, geleitet von Oberst Strucker (Thomas Kretschmann (!)), treffen die Helden auf zwei äußerst interessante Figuren: DIE ZWILLINGE! Was sie so besonders macht, wird hier erstmal nicht weiter erwähnt, es ist besser, wenn ihr es selbst herausfindet.

Von dieser ersten Schlacht zurück, mit allerhand neuen Informationen, liegt der Fokus zunächst auf Tony Stark (Robert Downey jr) - ohne Metallanzug diesmal - der eine neue Art von, tja, was ist es... entwickelt. Im Grunde ist es ein neuer Roboter, der die Welt beschützen soll, der gleichzeitig aber auch eine eigenständige Intelligenz besitzt. Wenn ihr euch gedacht haben solltet: Das wird garantiert nicht gut gehen, ja dann ist heute euer Glückstag!! Denn dieses Ding namens "Ultron" gerät außer Kontrolle und die Avengers sind im Einsatz.

Die Handlung ist mitreißend und immer wieder durch gut gesetzte Verschnaufpausen durchzogen. Weil die drei "Haupthelden" jeweils eigene Film-Franchises besitzen, ist die Handlung häufig auf HULK, Black Widow und Hawkeye gerichtet. Eine interessante Geschichte zwischen der rothaarigen Schönen und dem grünen Biest entwickelt sich und auch Flynt, der Bogenmann, bietet viel mehr Hintergrund, als man zu Beginn des Films geglaubt hätte. Die Comics über ihn sind übrigens ausgezeichnet, die kann ich ohne Bedenken jedem ans Herz legen.

Allerdings gibt es einige Dinge, die mir den Spaß geraubt haben, so dass eine höhere Wertung ausbleiben muss: Der Film wurde an manchen Stellen merklich zusammengestaucht, es soll eine dreistündige Version existieren. So erscheint im letzten Drittel des Films eine Szene mit Thor, die einfach lachhaft in die Handlung integriert wurde. Vielleicht war es die Befürchtung der Filmemacher, dass er nicht häufig genug eingebunden wurde und er wird auch mit freiem Oberkörper gezeigt, was dem weiblichem Publikum durchaus gefallen dürfte. Aber es fehlte eine Einführung in diese Szene und vor allem: WO BEFINDET ER SICH??? Aber ich will ich zu viel verraten. Seine Szenen gehören ansonsten zu den witzigsten des Films, die Gags sind gut gesetzt und im Original werden sie noch mehr Sinn machen. Eine weitere Szene, die in einer Massenschlacht mündet, wurde unnötigerweise von einer Zeitlupeneinstellung eingefangen, was ich für komplett unnötig halte, aber gut, vielleicht ist das ja dieses "epische", was alle Actionfilme versuchen zu erreichen. Ich empfand diese Szene als schlichtweg dumm. Die Autobahn-Kampfszene war ebenso überflüssig, war sie doch fast eine 1:1-Kopie aus dem letzten Captain America-Teil, den ich wie es scheint, als einziger Mensch auf Erden, richtig schlecht fand.

Nun denn, das war es mit den Kritikpunkten, denn ansonsten wurde ich hervorragend unterhalten. Joss Whedon versteht es, die brachialen Massenschlachten durch viel eingestreuten Witz und überraschende Wendungen (HULK hat da viel bei zu tun) frisch zu halten. Ein besserer Schnitt hätte Wunder vollbracht, aber ansonsten ist der Film technisch hervorragend. Es wäre teilweise nur besser gewesen, etwas mehr vor Kulissen gedreht zu haben. Vor allem die Schlacht im Wald zu Beginn mag zwar schick aussehen, aber sie ist dabei so steril, dass sie auch aus einem Computerspiel hätte stammen können.

Auch der zweite Teil der Avengers macht Spaß, nur etwas mehr Abwechslung wäre wünschenswert, das Ende lässt da auf kommende Großtaten hoffen. Ihr werdet im Moment keinen unterhaltsameren Film in den Kinos finden. Die 2D-Version wird genügen. Ich wurde nicht von der Macht des 3D erschlagen, wie es bei "Gravity" der Fall war.


Montag, 20. April 2015

Oh Boy

"Wir haben auch Sojamilch." - "BITTE NICHT!"


Jan Ole Gerster, 2012 GER - 7.25/10

Im Englischem gibt es den Begriff des "Slackers" (von "slack": lustlos, schlaff), der Personen beschreibt, die durch ihre laxe Haltung im Arbeitsleben, und dem alltäglichen Leben im Allgemeinen, auffallen. Sie machen so gut wie nichts, leben in den Tag hinein und haben keinen richtigen Antrieb, ihre Situation zu ändern. Solch eine Person ist die Hauptfigur in Jan Ole Gersters Erfolgsfilm - unter anderem sechs Deutsche Filmpreise - "Oh Boy" (der im Englischem den sehr schönen Titel "A Coffee in Berlin" besitzt)

Niko Fischer (Tom Schilling) ist ein junger Berliner, Ende zwanzig, dem zu Beginn des Films das Geld ausgeht. Es ist aber nicht nur das, sondern auch sein latenter Alkoholkonsum, oder auch das gestörte Verhältnis zu seinem Vater (sensationell schmierig: Ulrich Noethen), was das Leben für Niko nicht gerade einfach macht. Dass er auch den ganzen Film über einen Kaffee haben will, macht die Sache nicht einfacher. Durch Zufall trifft er seine ehemalige Klassenkameradin Julika (Friederike Kempter, "Nadeshda" aus dem "Münster-Tatort"), deren Theaterstück er am Abend mit seinem Kumpel Matze (Marc Hosemann) besuchen will.

So stolpert Niko von einer misslichen Situation in die nächste. der Film lebt von diesen teilweisen absurden, teilweise zum brüllen komischen, aber auch zum Großteil sonderbaren Episoden. Dass Gersters Berliner Film nur 83 Minuten lang ist, sehe ich als sehr positiv. Zwar werden einige Figuren (wie "Matze" zum Beispiel) nur schemenhaft dargestellt, was der Komik aber nicht schadet, die sich wie ein roter Faden durch den gesamten Film zieht. Schilling macht seine Sache hervorragend, ihm nimmt man die Lustlosigkeit des modernen, verwöhnten Berliners voll ab. Friederike Kempter macht sehr viel aus ihrer winzigen Rolle; sie verleiht dieser Julika sehr viel Charakter und in einer sensationellen Konfrontation mit ein paar idiotischen Jungs (mit dabei: Frederick Lau), spielt sie ihre ganze schauspielerische Kraft aus. Schauspielveteran Michael Gwisdek ist in einer kurzen Rolle als Mann in einer Kneipe zu sehen, bei der er seinen Text mit viel Gefühl runterrattert. Wieso er dafür einen Filmpreis gewonnen hat, verstehe ich jetzt nicht, aber gut, wenn man die Chance hat, einen beliebten Oldie auszuzeichnen, dann macht es die deutsche Filmakademie genauso wie ihr amerikanische Pendant (siehe zb. Robert Duvall dieses Jahr für "The Judge" bei der Oscarverleihung).

Gerster hat interessante Schauplätze gewählt, fernab des Berliner Mainstreams. Brandenburger Tor, oder die Siegessäule sucht man lange, aber dadurch ist der Film weitaus vielfältiger, ja vielleicht sogar exotischer geworden, als man es sich vorher gedacht haben mag, wenn man das Wort "Berlin" im begleitenden Text gelesen hat. Der Stil des Films ist erfrischend, ein Schauplatz wird nie länger als vielleicht zehn Minuten besucht, es geht direkt immer weiter. Durch die vielen unterschiedlichen Episoden entsteht zwar nie Langeweile, aber - und dies ist mein größter Kritikpunkt - wirkt der Film so dermaßen beliebig, dass es mir schwer fällt, diese Kritik zu verfassen, das meiste habe ich bereits wieder vergessen.

Ich verstehe voll und ganz, weshalb dieser Film so gut bei den Kritikern ankam: Ein neues, bislang unbekanntes Bild von Berlin und dessen Bewohnern wird gezeigt, ein Ausschnitt aus deren unbestimmtem Leben, das sich nicht entscheiden kann, in welche Richtung es sich entwickelt und dabei noch beigemischt eine große Prise der Absurdität des Alltags. Alles schön und gut, ich wurde auch größtenteils unterhalten. Doch als der Abspann lief, da habe ich keinerlei Sympathie mit irgendeiner Figur aufbauen können, zu beliebig erschienen sie mir, als dass ich viel Energie in sie hätte investieren können.

Wer einen unterhaltsamen Film aus dem modernen Berlin sehen möchte, der von dessen leisem, teilweise absurden Humor lebt - die Szene in der Kaffeebar ist Gold wert - der ist hier richtig. Nur ein Meisterwerk kann man hier lange suchen.

Dienstag, 14. April 2015

Nightcrawler





Dan Gilroy, USA 2014 - 8.75/10

Lou Bloom ist kein normaler Mensch. Hier in meinem geliebten Ruhrpott würde man sagen "er hat nix auffe Kette gekriegt", also jemand, der im Leben keine Richtung hat und auch illegale Wege nutzt, um an Geld zu gelangen. Im Verlauf des Films entdeckt er allerdings eine Marktlücke, bei der er moralische Grenzgebiete betritt und diese auch überschreitet. Dan Gilroy ist ein erstaunliches Werk über einen manischen Menschen gelungen, der im Grunde voll in seiner Arbeit aufgeht, diese letztlich perfekt beherrscht, aber bei dessen Ausübung keinerlei Kompromisse macht und Grenzen kennt. Dies ist kein kleiner Film, den man im Hintergrund beim gemütlichen Abendessen laufen lassen kann, sondern er verlangt es, sich komplett auf ihn einzulassen.

Ein faszinierendes, für den Großteil der Zuschauer unbekanntes Bild von Los Angeles wird hier gezeigt. Bloom (ein großartiger Jake Gyllenhaal) fährt nach einer erneuten Job-Absage enttäuscht nach Hause über den Highway. Dort erlebt er einen schweren Autounfall, er trifft nahezu gleichzeitig mit der Polizei ein, die schnell die Person versucht aus dem brennenden Wagen zu ziehen. Von hinten kommt ein Mann mit Kamera angerannt, der voll auf den Unfall hält. Lou ist fasziniert von dessen Arbeit, erkundigt sich, was er dafür bräuchte und ist am nächsten Tag selbst mit der Kamera unterwegs.

Der Beginn des Films ist rasant und unterhaltsam, Gilroy versteht es, eine ganz eigene Atmosphäre zu entwickeln, die sich immer auf dem Grad zwischen legal und illegal bewegt. Diese Facette wird im Verlauf des Films immer weiter getrieben, ich würde sogar behaupten bis zur Spitze geführt, denn die moralischen Entscheidungen, die Lou trifft, sind nicht nur durchweg fragwürdig, sondern stehen über den Vorstellungen, die jede Gesellschaft von sich aus behauptet zu besitzen.

Zwei Personen treten im Verlauf der Handlung in Lous Leben, die einen Einfluss auf die Entscheidungen haben werden, die Lou zum Ausführen seines Berufs treffen muss: Zum einen ist es sein Assistent Rick (Riz Ahmed), der immer wieder die unmoralischen Handlungen aufzeigt und auf der anderen Seite ist es die TV-Produzentin Nina (Rene Russo), die genau das Gegenteil macht. Lous Bilder bringen so hohe Einschaltquoten, dass er immer mehr besorgen soll. Eine für den Zuschauer schwere Konfliktsituation, Lou allerdings entscheidet sich schnell für eine Seite...

Mehr werde ich nicht verraten. "Nightcrawler" ist ein sehr spezieller Film, der von seinem gewollt unsympathischen Antihelden lebt. Es befindet sich so gut wie keinerlei Entspannung, nachdem Lous Geschäftsmodell einmal komplett den Betrieb aufgenommen hat. Ein unglaublicher Spannungsbogen wird aufgebaut, vor allem in den letzten etwa zwanzig Minuten des Films. Allerdings hat dieser Umstand, dass es ein fast nihilistischer Film, ohne Identifikation, ist, zur Folge, dass er einen mit einem enorm schlechten Gefühl zurücklässt. Darauf muss man sich vorher im klaren sein. Will man sich jedoch herausfordern lassen und eine komplett neue Perspektive auf die Moral des Menschen gewinnen und diese dann hinterfragen, der ist hier genau richtig. Gyllenhaals sensationelle Performance tut ihr übriges, für die Rolle hat er zwanzig Kilogramm abgenommen und versucht so wenig wie möglich zu blinzeln, was ihn noch eine ganze Spur charismatischer und gleichzeitig gruseliger erscheinen lässt.

Ein starkes Regiedebut von Dan Gilroy, das herausfordert, von seiner unfassbaren Spannung lebt, aber ebenso keinerlei Sympathieträger bereithält.

Mittwoch, 1. April 2015

Gegen die Wand




Fatih Akin, GER 2004 - 9.75/10

Ich habe den Film schon häufig erwähnt, jetzt sehe ich es an der Zeit, einen eigenen Post diesem Film zu widmen, dem wichtigsten Deutschen Film der Dekade. Akin erzählt eine epische Geschichte über die Liebe und wie sie Menschen zerstören kann. Dabei eingestreut sind ebenso die Themen "Selbstmord", "Leben als Mensch mit Migrationshintergrund in Deutschland" und "Entscheidungen". Ihr merkt, dies ist ein schwerer Brocken von einem Film, den man auf keinen Fall im Hintergrund laufen lassen kann. Nimmt man sich aber die Geduld, dann erlebt man einen deutschen Film, wie ich ihn mir vorher nie hätte vorstellen können: Solch eine Intensität habe ich selten bei einem Film im allgemeinen gesehen. Der Film nimmt einen brutalen Schnitt zur Hälfte, der das komplette Leben aus der Handlung saugt, eine Stimmung entwickelt, die total hypnotisiert und man seine Augen nicht mehr vom Bildschirm ziehen kann. Wer da nicht in seinem innersten wachgerüttelt wird, der hat nie gefühlt, geschweige denn gefühlt.

Diejenigen, die jetzt immer noch nichts mit diesem Werk anfangen können, dem sei ein weiterer Grund genannt: Die weibliche Hauptrolle wird von Sibel Kekilli verkörpert, den der Großteil aus der Serie "Game of Thrones" kennen sollte, oder auch als Komissarin des Kieler Tatorts.

Sibel (so auch der Name der Figur im Film) trifft in einem Hamburger Krankenhaus auf Cahit (Birol Ünel), der mit seinem Wagen alkoholisiert gegen die titelgebende Wand gefahren ist. Sibel hat ebenso einen Selbstmorversuch hinter sich. Beide sind mit ihrem Leben unzufrieden. Sibel rebelliert gegen das traditionelle Leben ihrer türkischen Eltern, sie will frei leben. Cahit ist im Grunde ein großer Verlierer, der saufend durch Hamburg zieht und nichts hinbekommt. Diese beiden verlorenen Seelen treffen jetzt aufeinander und die muntere Sibel hat einen für sie sensationellen Plan: Die beiden heiraten, damit ihre Eltern besänftigt sind und sie dann frei leben kann. Cahit stimmt dem Plan zu und die beiden heiraten. In einer wunderbaren Montage sieht der Zuschauer, wie die beiden ihren Hochzeitstag verbringen: Getrennt voneinander mit einem jeweils anderen Partner im Bett. Über die kommenden Wochen allerdings - Sibel zieht in Cahits vergammelte Bude, die sie auf Vordermann bringt - entwickelt sich eine Beziehung zwischen den beiden, die allerdings je zunichte gemacht wird.

Mehr will ich nicht über die Handlung schreiben, was dann aber passiert, gehört zu den mitreißendsten Szenen der letzten zwanzig Jahre. Beide durchleben unglaublich intensive Momente, die schwer für den Zuschauer mit anzusehen sind. Es sind Bilder, die man nie vergessen wird, was sowohl an der Leistung Akins liegt, der eine unerträgliche Bandbreite an Gefühlen zu vermitteln weiß, als auch vor allen an den schauspielerischen Leistungen von Kekilli (in ihrerer ersten großen Rolle) und Ünel, die genauso wie der Film, mit Preisen überhäuft wurden - der Film wurde mit dem goldenen Bären des Berliner Filmfestivals ausgezeichnet.

Dies ist ein harter Film, der garantiert nicht vielen Leuten gefallen wird, wer sich allerdings auf ihn einlässt, der wird umso mehr belohnt mit einem Meisterwerk, dass den Zuschauer durch die Tiefen der menschlichen Emotionalität schleift, ihn dabei zerstört, doch letztlich wieder aufbaut. Ein sensationeller, bemerkenswerter Film.

Dieses Blog durchsuchen